Stillwasserhecht Frühjahr-Frühsommer

Die Zukunft der Boddenhechte

Die Rügener Bodden sind unter Anglern ein besonders beliebtes Revier, beherbergen sie doch neben zahlreichen für Angler interessante Fischarten auch einen besonders großen und schnellwüchsigen Hechtbestand, der von Anglern, Erwerbsfischern sowie Kormoranen und Kegelrobben gleichermaßen genutzt wird.

Dieser Hechtbestand ist leider rückläufig, was Ökologen und Touristikern gleichermaßen Sorgen bereitet. Das Boddenhecht-Projekt um Prof. Arlinghaus und das IGB hat sich dem Problem angenommen und auf Basis langjähriger Forschungen Management-Empfehlungen für den Hechtbestand erarbeitet und in einem 800-seitigen Buch für Politik, Verwaltung und andere Interessengruppen veröffentlicht.

Boddenhechte im Rückgang


Die Anzahl von Hechten in den Rügener Bodden ist seit dem Jahr 2010 erwiesenermaßen rückläufig und auch das durchschnittliche Wachstum der Fische ist über die Jahre gesunken. Dies wurde sowohl subjektiv von Anglern wahrgenommen und nunmehr auch wissenschaftlich bestätigt.

Die Produktivität des Bodden Hechtbestandes hat sich somit erheblich verringert und auch kapitale Exemplare werden immer seltener. Größere Hechte sind für Angler allerdings besonders attraktiv und somit auch für den Angeltourismus relevant. Die konkrete Ursachen für den Rückgang der Boddenhechte ist dabei aber nicht eindeutig festzustellen.

Vielseitige Ursachen

Dem Rückgang des Hechtbestandes liegen zahlreiche Faktoren zugrunde. Einerseits haben sich die ökologischen Bedingungen für Boddenhechte durch eine Reihe von Umweltveränderungen deutlich verschlechtert, andererseits wird der Bestand auch intensiv durch Angler, Erwerbsfischer sowie andere Prädatoren genutzt. Dabei sind nicht einzelne Faktoren für den Rückgang ausschlaggebend, sondern die Summe der Faktoren zusammen.

Ökologische Faktoren

Das Ökosystem Bodden leidet insgesamt an einer reduzierten Nahrungsverfügbarkeit und -qualität. So sind die Heringe, die im Frühjahr zum Laichen in die Bodden ziehen, rückläufig – eine wichtige Nahrungsgrundlage der Boddenhechte und anderer Prädatoren. Stattdessen haben deutlich weniger nahrhafte Schwarzmundgrundeln zugenommen, was sich direkt auf das Wachstum vor allem der größeren Hechte auswirkt. Gleichzeitig sind die Kormoranbestände hoch. Insgesamt kommt es zu Veränderungen in den Räuber-Beute Beziehungen der Bodden.

Lebensraum und Wasserqualität

Weiterhin sind die hohe Nährstoffbelastung durch die Landwirtschaft, der Verlust an temporär überfluteten Laichgebieten sowie der mangelnde Zugang zu den Süßwasserzuflüssen maßgeblich. Dies bedroht vor allem den Teil der Population der Boddenhechte, der die Zuflüsse zum Laichen hinaufzieht.

Grundsätzlich senken all diese Faktoren wiederum die Widerstandsfähigkeit gegenüber neuen Stressoren. So ergänzen mehrere, bisher noch kaum verstandene Effekte des Klimawandels die negativen Einflussfaktoren. Effekte auf die Reifung und Qualität der Eier, das zeitlich veränderte Aufkommens von Futterfisch und die Zunahme von Bruträubern wie Stichlingen sind hier einige Faktoren.

Fischereiliche Effekte


In stark befischten Beständen wie an den Bodden werden Hechte im Schnitt seltener und vor allem kleiner. Weiterhin lassen sie sich mit der Angel immer schwerer fangen. Effekte, die an den Bodden nachweißlich auftreten. Mit Netzen hingegen können die Boddenhechte weiterhin gut erbeutet werden, vor allem wenn Sie ihre Laichgebiete aufsuchen. Dadurch wird ein lokaler Bestand allerdings stark ausgedünnt, was kaum durch Wiederbesiedelung aus benachbarten Gebieten ausgeglichen wird. Insgesamt hat die Entnahme durch Fischer und Angler durchaus einen nennenswerten Effekt auf Wachstum und Häufigkeit der Hechte.


Video von IFishMan

Management Empfehlungen

Die komplizierten biologischen Zusammenhänge und Wechselwirkungen machen das Management der Hecht Bestände anspruchsvoll. Auf Basis der Forschungsarbeiten konnten die Wissenschaftler jedoch klare Empfehlungen für die Zukunft abgeleiten.

Lebensraumverbesserungen

Zentral für den Hechtbestand ist die Aufwertung der Lebensräume vor allem die Renaturierung von Zuflüssen, das Schaffen von Überflutungsgebieten und vor allem die Reduzierung der Nährstoffeinträge. Hier sind die Interessen von Fischerei und Naturschutz sehr ähnlich. Weiterhin wäre ein angepasstes Kormoran Management – ein deutlich konflikbelastetes Thema – hilfreich.

Überflutete Haffwiesen sind ideale Laichgebiete für Boddenhechte.

Fischereiliche Regulation


Daneben haben auch fischereiliche Schonmaßnahmen starke Effekte. Dazu zählen die Erhöhung des Mindestmaßes auf 60 cm und die Einführung eines Küchenfensters zwischen 60 und 90 cm.

Bei der Erwerbsfischerei sollten die Maschenweiten entsprechend gestaltet sein, um nur die mittleren Größenklassen zu fangen. Wanderkorridore zu Laichgebieten sollten generell für alle Akteure als Schongebiete ausgewiesen werden. Insgesamt ist eine Vergrößerung der Schonflächen angeraten, die derzeit nur bei etwa einem Prozent der Wasserfläche der Bodden liegt.

Die Hechtentnahme könnte in Form von einer reduzierter Tagesfangmenge oder durch die Ausgabe von Entnahmemarken je Angler gesenkt werden. Gerade die Festlegung von Jahresfangquoten für einzelne Angler erscheint sinnvoll. Auch die erwerbsfischereilich gefangenen Menge sollte gesenkt und ggf. durch Ausgleichszahlungen kompensiert werden. Insgesamt sollten Regelungen übersichtlich aufbereitet und stärker kontrolliert werden.

Leider ist ein Erfolg der fischereilichen Regulierungsmaßnahmen nicht garantiert. So sind auch trotz verschärfter Regularien in vielen Gebieten die Hechtbestände trotzdem rückläufig. Demnach sind vor allem übergeordnete ökologische Faktoren für die Bestandsentwicklung relevant. Dies wird auch durch den Rückgang anderer Fischarten wie Hering oder Dorsch verdeutlicht. Deswegen verschieben sich Räuber-Beute Beziehungen und die Hechte werden entsprechend als Nahrungsgrundlage für Kormorane und Kegelrobben relevanter.

Kompromisse

Neben den wissenschaftlichen Empfehlungen wurden im Rahmen des Projekts auch die Empfehlungen aus Sicht der verschiedenen Interessengruppen erarbeitet und zusammengetragen und veröffentlicht.

Bodden-Kuechenhecht-im-Kescher

Ein schöner Küchenhecht im Kescher, der auch am Bodden ins Küchenfenster passt .

Monitoring und Dialog

Mangels Daten basiert die öffentliche Auseinandersetzung oft nur auf Basis von persönlichen Eindrücken und Erfahrungen und ist somit emotional. Deshalb ist ein regelmäßges Monitoring des Bestandes der Boddenhechte unabdingbar, um eine objektive Datenlage zu erhalten und Effekte auf den Hechtbestand zu ermitteln. Weiterhin sollten alle Beteiligten die unterschiedliche Werte und Normen der Nutzergruppen akzeptieren und eine offene und sachliche Diskussion über die gesellschaftliche Relevanz der einzelnen Zielstellungen führen. Dabei sollte der Fokus auf den Gemeinsamkeiten liegen. In strittigen Punkten sollten verträgliche Kompromisse erarbeitet werden. Die Ergebnisse eines solchen stetigen und offenen Dialoges aller Nutzergruppen müssen in politischen Entscheidungen münden und durch Behörden und Praktiker umgesetzt werden. So kann entstehenden Konflikten durch die Umsetzung von Managementmaßnahmen vorgebeugt werden.

Boddenhechte als Wirtschaftsfaktor

Die Bodden sind ein beliebtes touristisches Ziel für Angler. Etwa 50.000 Angler besuchen die Bodden regelmäßig. 75 Prozent davon sind als Touristen vor Ort. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Hechtangelns ist laut den Forschern hochgerechnet um etwa 32-fach höher als die des erwerbsfischereilichen Hechtfangs. Durch den Rückgang der Bestände ist die touristische Bedeutung allerdings rückläufig. Gleichzeitig hat die Erwerbsfischerei aber auch einen kulturellen Wert und eine lange Tradition an den Bodden. Berufsfischer und Angler sollten sich also auf ihre gemeinsamen Interessen fokussieren und eine ihrer Grundlagen – den Boddenhechtbestand – zu fördern.

 

Hier gehts zum Artikel des Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB):
Artikel: Rügens Räuberreichtum wieder aufbauen

Hier kann das 800-seitige Gesamtwerk heruntergeladen werden:
Zum Download

Hier gehts zu den Empfehlungen für das künftige Management des Boddenhechts (Esox lucius) aus Sicht verschiedener Interessengruppen (Ehrlich, E., Niessner, D., Arlinghaus, R. 2023.):
Zum Download

Neues aus dem FHP Magazin

Video: Basiswissen für Angler: Das Ruten-Wurfgewicht, Quelle: FHP/Fishpipe