Dorsch

Warum Ostsee-Räuber durch erhöhte Wassertemperaturen aussterben könnten

Die Ostsee wird wärmer und das hat auch Folgen für die Räuber in diesem Ökosystem. Denn durch die Temperaturveränderungen verändert sich auch das Verhalten der Beutefische und die Jäger müssen sich anpassen. Doch Forscher fanden heraus, dass genau diese Änderung des Jagdverhaltens letztendlich zum Aussterben der Raubfischart führen kann. In diesem Beitrag erfährst Du, warum Fische aussterben könnten, wenn sie aufgrund ansteigender Temperaturen ihr Jagdverhalten ändern.

Eine neue Studie unter Federführung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit Beteiligung des IGB zeigte anhand von mathematischen Nahrungsnetz-Modellen, dass Ostseefische aufgrund von Temperaturveränderungen ihr Jagdverhalten ändern. Diese Verhaltensänderung macht in letzter Konsequenz sogar das Aussterben der Art in der Ostsee wahrscheinlicher.

Fische wechseln Nahrungsquelle

Die Forscher konnten in der Ostsee zeigen, dass Räuber bei einem veränderten Nahrungsaufkommen in der Regel vermehrt der nächstbesten und verfügbaren Futterquelle nachstellen. Dabei handelt es sich dann oft nicht mehr um Fische, sondern meist um kleinere Organismen wie Würmer, Weichtiere, Krebse und Seesterne. Aufgrund der erhöhten Temperatur und dem dadurch erhöhten Stoffwechsel, müssen die Fische außerdem mehr Nahrung aufnehmen.

Kurzfristig sind die alternativen, kleinen Nahrungsquellen zwar hilfreich, langfristig bieten sie aber keine gleichwertige Energieversorgung, wie die ursprüngliche Nahrung: größere, kalorienreiche Beutefische – und das vor dem Kontext einen erhöhten Energieverbrauchs wegen der Wärme. Deshalb ist das Ausweichen auf die alternative Nahrung für die Fische langfristig problematisch.

Modell mit Daten aus Fischmägen

Die Wissenschaftler fütterten ihr Modell dafür mit Daten über Mageninhalte von sechs verschiedenen wirtschaftlich wichtigen Ostseefischarten aus der Kieler Bucht, darunter passive Räuber wie die Flunder und aktive Raubfische wie der Dorsch, aus den Jahren 1968 bis 1978. So konnten die Forscher zeigen, dass sich der Mageninhalt der Fische mit steigenden Temperaturen änderte und häufigere, kleinere Beutetiere vermehrt gefressen wurden.

In den Modellrechnungen konnten die Forscher nun zeigen, dass räuberischen Arten durch die Diskrepanz zwischen Energiebedarf und Energieaufnahme langfristig geschwächt werden – sie verhungern mit der Zeit also, was bis hin zum Aussterben der Art führen kann. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Änderungen des Jagdverhaltens bei steigenden Temperaturen zu einem vermehrten Aussterben von Fisch- und anderen Tierarten führen könnten, was sich wiederum auf andere Arten im Nahrungsnetz auswirken kann. So konnten die Wissenschaftler mit dem Modell ermitteln wie sich die veränderte Nahrungsaufnahme auf das Ökosystem ingesamt und seine Arten auswirkt.

 

Flunder Ostsee
Auch Flundern zählen zu den Räubern in der Ostsee.

Große Raubfische stärker betroffen

Eine Ausweitung der Modelle auf andere Arten ist möglich und lässt vermuten, dass generell räuberische Arten an der Spitze der Nahrungskette in Gewässerökosystemen durch Temperaturänderungen gefährdet sind. Je mehr sich die Fische also in ihrer Nahrungsaufnahme an Umweltveränderungen anpassen müssen, desto anfälliger werden sie letztendlich für diese Veränderungen.

Leider ändern die Arten ihre Nahrungsaufnahme also nicht in der Weise, dass sie mehr Energie zu sich nehmen und somit mit den Umweltveränderungen besser klarkommen. Vielmehr reagieren sie suboptimal auf den Klimawandel und passen sich nur schlecht an.

Anpassung mit schlechtem Ausgang

Neben den bekannten negativen Einflüssen auf die Fischbestände wie Verschmutzung, Nährstoffbelastung oder Überfischung ist auch das veränderte ineffiziente Jagdverhalten der Fische aufgrund steigernder Temperaturen ein weiterer negativer Einflussfaktor für deren Population, die durch den Menschen kaum mehr beeinflusst werden kann und einer Erholung der Bestände im Wege stehen. Normalerweise führen Anpassungen von Arten dazu, dass sie besser in der neuen Umgebung klarkommen. Die Forschungen zeigen aber, dass steigende Temperaturen zu einem Anpassungsverhalten führen, welches langfristig negative Auswirkungen auf das Bestehen der Art hat.

Feldstudien nötig

Die hier gewonnenen Erkenntnisse basieren auf mathematischen Nahrungsnetz-Modellen, die rein theoretischer Natur sind und unter anderem Daten aus Fischmägen sowie Temperaturdaten verarbeiten. Sie wurden in der Fachzeitschrift Nature Climate Change veröffentlicht. Diese Berechnungen sollen in Zukunft durch Feldstudien in natürlichen Ökosystemen verifiziert werden.

 

→ Zur Pressemitteilung der Universität Jena

Studie: Benoit Gauzens, Benjamin Rosenbaum, Gregor Kalinkat, Thomas Boy, Malte Jochum, Susanne Kortsch, Eoin J. O’Gorman, Ulrich Brose (2024): Flexible foraging behaviour increases predator vulnerability to climate change. DOI:10.1038/s41558-024-01946-y

 

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