großer Dorsch beim Angeln

Entnahme von Großfischen für Bestände problematisch

Bei der Beurteilung des Zustandes von Fischbeständen spielt die Fruchtbarkeit der Rogner eine große Rolle. Allerdings geht eine Vielzahl vergangener Studien davon aus, dass der Unterschied bei der Eizahl zwischen den Altersklassen geringer ist, als aktuelle Studien nahelegen – die Eizahl der großen Fische wird somit unterschätzt und die der kleineren Artgenossen überschätzt. Und gerade die Befischung und Entnahme von Großfischen wird von Anglern sowie Erwerbsfischern gezielt umgesetzt. Wie eine neue Studie eines internationalen Forschungsteams unter Beteiligung des IGB anhand von 32 untersuchten Meeresfischarten zeigt, wird deshalb das Erholungspotential der Fischbestände in der Regel deutlich überschätzt. Dies kann dramatische Folgen haben und zu einer Überfischung der Bestände führen.

Falsch berechnete Fruchtbarkeit?

Bei der Berechnung der Fruchtbarkeit galt bisher die Annahme, dass die Eizahl eines Rogners direkt proportional mit seinem Gewicht ansteigt. Es hat sich aber herausgestellt, dass bei den meisten Fischarten große, schwerere Rogner mehr Eier pro Kilogramm Körpergewicht ablegen als jüngere, leichtere Rogner. Somit steigt die Eizahl überproportional mit dem Gewicht an. Mehr Großfische in einem insgesamt kleineren Bestand sorgen also für mehr abgelegte Fischeier, als viele kleinere Artgenossen, die eine vergleichbare Gesamtbiomasse ausmachen. Die Forscher haben also die neuen Erkenntnisse in Modellrechnungen für die Bestände der 32 Fischarten einfließen lassen und somit zwei wichtige Parameter im Vergleich zu bisherigen Modellrechnungen verändert: das Laichpotential und den nachhaltigen Dauerertrag, also die maximale noch nachhaltige Entnahme.

Vermehrungspotential überschätzt

Die Ergebnisse der Modellrechnungen zeigen, dass das Laich- bzw. Reproduktionspotenzial der Fischarten um 22 Prozent überschätzt wurde. Von Art zu Art schwanken die Werte zwischen 3 und 78 %, da das Verhältnis zwischen Eizahl und Körpergewicht in den verschiedenen Altersklassen einer Art unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Das reproduktive Potential der pazifischen Sardine wurde mit 78 Prozent besonders stark überschätzt, während Dorsch mit 18 % und Hering mit 11 %, weniger stark überschätzt wurden. Das bedeutet gleichzeitig, dass die erlaubten Fangquoten im Durchschnitt 1,2 fach höher liegen als aus nachhaltiger Sicht sinnvoll und, dass gerade das übliche gezielte Befischen von großen, laichreifen Fischen einen noch stärkeren Einfluss ausübt. Denn dadurch würde die Erholung der befischten Bestände verlangsamt bis verhindert.


Einfluss aufs Fischbestandsmanagement

Leider widerspricht das der bisher üblichen Management-Praxis in nahezu jeglicher Fischerei. Im Rahmen der Bewirtschaftung mit dem weit verbreiteten Mindestmaß werden stattdessen die größeren Fische selektiv gefangen und die Entnahme von Großfischen befördert, während die kleinen Exemplare überleben, um mindestens einmal abzulaichen. Grund dafür ist die Annahme, dass jüngere Fischbestände produktiver sind und über ein höheres Ertragspotential verfügen und somit besser zur Erneuerung des Bestände beitragen, da die Fische schneller wachsen. Die Forscher sehen diese Annahme als überholt an und zeigen, dass der selektive Fang der Großfische die Bestände durchaus auch schwächen kann. Der Schutz der großen Fische kann hingegen den Fischereiertrag fördern und somit den Fischbeständen helfen. Mögliche Maßnahmen sind hier selektivere Fangmethoden, die auch größere Fische schonen oder Fangfenster, die klassischen Mindestmaße ersetzen sowie Schutzzonen oder Schonzeiten. Geeignete Maßnahmen können sich je nach Fischart unterscheiden.

Fazit

Die Wissenschaftler empfehlen, die Erkenntnisse in Zukunft in die Bestandsabschätzungen einzubeziehen und somit in der Praxis die Vermehrungsfähigkeit größerer Fische zu fördern indem die Entnahme von Großfischen begrenzt wird – denn von exakteren Bestandsuntersuchungen und entsprechenden Maßnahmen profitieren alle Beteiligten.

Studie: Dustin J. Marshall, Michael Bode, Marc Mangel, Robert Arlinghaus and E. J. Dick. Reproductive hyperallometry and managing the world’s fisheries. PNAS August 24, 2021 118 (34) e2100695118; https://doi.org/10.1073/pnas.2100695118

Zur Studie

Zur Pressemitteilung des IGB

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