Hallo Thorsten,
Dein Fazit ist in meinen Augen eher eine Zwischenbilanz. Wir stehen bei dem Thema in der Praxis eigentlich erst noch am Anfang. Bisher gibt es nur das Beispiel Dänemark, was zeigt, dass ein landesweites Management machbar ist und funktionieren kann.
Thunfisch schrieb:
1. Es gibt keinen nennenswerten Einfluß des Kormoran auf den Fischbestand in Gewässern ab einer bestimmten Größe. Das hängt mit der Kompensationsfähigkeit durch natürliche Reproduktion zusammen.
Die Kompensationsfähigkeit jeder Population kann man sehr schnell überstrapazieren. Beispiele dafür gibt es genug. Auch am Kormoran selbst wurde das im vorletzten Jahrhundert demonstriert. Das Problem an natürlichen Gewässern ist, einen tatsächlich vorhandenen Schaden methodisch nachzuweisen. In einem Teich kenne ich die Besatzmenge und kann mit der Abfischmenge vergleichen. Hier ist der Schadensnachweis unproblematisch. In einem offenen Gewässer, aus dem die Fische auch noch abwandern können, kann ich nicht bilanzieren. Hier kann man sich bestenfalls mit Modellrechnungen behelfen. Einen Schaden methodisch nicht nachweisen zu können, bedeutet nicht, dass es keinen Schaden gibt.
4. Maßnahmen, die dem "Bestandsmanagement" dienen wie das Auskühlen von Gelegen, können nur dann erfolgreich sein, wenn sie kontinuierlich durchgeführt werden.
... kontinuierlich und unter Begleitung durch ein entsprechendes Monitoring. Ansonsten könnte es passieren, dass die Massnahmen "zu erfolgreich" sind und man den Kormoran erneut gefährdet.
5. Die Bejagung ist aus umweltethischer Perspektive zweifelhaft.
Dazu schreibe ich was, wenn ich mit Prof. Ott durch bin ...
6. Man darf von der Teichwirtschaft verlangen, dass alle Möglichkeiten zum Schutz der Fische ausgeschöpft werden, bevor über den Abschuß nachgedacht wird.
Damit Dir nicht langweilig wird, noch ein Link.
http://www.luis.brandenburg.de/nundl/1997/heft2/S59_65.pdf Der Autor dürfte über den Zweifel der Fischereilastigkeit erhaben sein. Zur Zeit der Untersuchungen hatten wir im Land ca. 1600 Brutpaare, heute sind es 2600. Wenn Du Dir die Ergebnisse von vor gut 10 Jahren ansiehst, kannst Du Dir ungefähr vorstellen, wie sie unter den heutigen Bedingungen aussehen würden. Die Karpfenteichwirtschaft hat mittelfristig keine Chance, wenn es nicht gelingt, die Kormoranpopulation spürbar zu verringern.
Das Thema muß dringend raus aus dem emotionalen Getto. Bewegung auf beiden Seiten - den Befürwortern einer Bejagung und den Vogelfreunden - ist die Mindestvoraussetzung für einen Konsens. Ohne diesen Konsens wird es zu einer immer größeren Polarisierung der Lager kommen, die perspektivisch gesehen für uns Angler ein böses Ende nehmen wird.
Auch wenn man es vor dem Hintergrund der Inszenierung in Baden-Württemberg im Moment nicht glauben wird, sehe ich in der Praxis längst einen Trend hin zu deutlich mehr Sachlichkeit. Das Problem an der Sache - es geht den Vogelschützern eigentlich gar nicht um den Vogel Kormoran, sondern einfach um's Prinzip. Vergleicht man die Haltung des NABU bezüglich der Bejagung von Fuchs & Co. mit der Haltung zum Thema Kormoran, wird der Widerspruch offensichtlich.
Die Phase des exponentiellen Wachstums der Bestände ist abgeschlossen, die Populationsstärke bleibt innerhalb der Toleranz stabil. Aus dieser Tatsache läßt sich keine Begründung für eine generelle Bejagung ableiten.
Dabei vernachlässigst Du, dass die "Stabilisierung" der Bestände mit der Aufnahme von Bejagung und Eingriffen in die Kolonien zusammen fällt. Beide Faktoren haben ganz offensichtlich bereits jetzt Einfluss auf die Gesamtpopulation.
Im Gegenteil stützt diese Erkenntnis eher die "weiter so Fraktion", in dem Sinne, dass die Bestandsstärke jetzt ein stabiles Niveau erreicht hat, mit dem man leben kann (und muß).
s.o. ... Sobald sich die Bestände von Europäischem Aal, Äsche und anderen gefährdeten Arten wieder innerhalb "sicherere biologischer Grenzen" bewegen, lasse ich mit mir über das zu akzeptierende Bestandsniveau des Kormorans reden.
Aus ethischer Sicht gibt es das Problem, dass mit dem K. eine Pforte geöffnet wird, die später argumentativ nicht mehr geschlossen werden kann. Definiert man den Kormoran als "Schädling", wird der eingeschlagene Weg der "Bekämpfung" zweifellos auf weitere "Schädlinge" ausgedehnt werden.
Warum wird da eine Pforte geöffnet? Es gibt eine Vielzahl von Tierarten, die man heute selbstverständlich bejagt und bei denen die Naturschutzverbände eine noch intensivere Jagd fordern, um das Überleben anderer Arten zu sichern. Warum wäre es eine Art "Tabubruch", wenn man diese selbstverständliche Praxis auf den Kormoran ausdehnt? Ich sehe hier keinen ethischen Widerspruch.
Lars, mein besonderes Kompliment an dich. Du hast zwar nicht durch "Beweglichkeit" geglänzt, aber auch nie die emotionale Karte gezogen. Vielleicht sitzen wir uns eines Tages gegenüber und können dann das Thema weiter ausbreiten. Über eine Stellungnahme zum Artikel von Prof. Ott würde ich mich freuen.
Vielen Dank für die Blumen. Der Mangel an "Beweglichkeit" mag daran liegen, dass ich das Wirken der Kormorane seit vielen Jahren intensiv beobachte, das Thema lange vor diesem Thread mit sehr vielen Leuten weit ausführlicher diskutiert habe und so zu meinem eigenen Standpunkt gekommen bin, den ich hier vertrete. Da ich nie Vertreter von irgendwelchen Maximalforderungen war und an mich selbst den Anspruch habe, vorgebrachte Argumente auch begründen zu können, mag das am Ende als starres Beharren auf meinem Standpunkt rüber kommen. Das ändert sich, wenn jemand meine Argumente auf der sachlichen Schiene zerpflückt und ich mich geschlagen geben muss.
Auch ich würde mich freuen, wenn man dieses und andere Themen irgendwann mal live diskutieren könnte. Mein Statement zu Prof. Ott kommt noch, versprochen.
Viele Grüsse
Lars