Die Parabel vom unerreichbaren Steg
Und bevor es wieder abtaucht, hole ich es mit einem Erlebnis aus den Achtzigern nochmal hoch ...
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Die drei besten Freunde, so gut wie unzertrennlich, waren damals schon überhaupt nicht begeistert darüber, dass ihr Lieblingsgewässer in Berlin für Uferangler nur von einer Uferseite aus beangelbar war, gegenüber nur protzige Villen und somit erklärter Privatbesitz.
Abhilfe versprach aber beispielsweise ein Steg inmitten des vielversprechendsten Schilfgebietes seitwärts, der sich in uns unbekanntem Hoheitsgebiet befand.
Da mussten die halbwüchsigen Knirpse erstmal recherchieren und kamen zu einem ernüchterndem Ergebnis: das Gelände war von einer Reiterstaffel der Polizei besetzt.
'Scheiße', war Klein-Thomsens erste intellektuelle Gemütsregung, aber: 'die fragen wir selbstverständlich trotzdem, mehr als verjagen können die uns schließlich nicht'.
Der trotzigen Ansage wurde seitens der beiden Besten verzagt Folge geleistet, und so trotteten 3 schwerbeladene Jungangler auf das Polizeigelände, Ziel: die Wachstube.
Dort angekommen wurde das Ersuchen altersgemäß wohlfeil vorgebracht: man hätte da den Steg gesehen, Nahziel aller Wünsche, man sei durch die Gewässerstruktur und die Belegung durch Privatgrundstücke ohnehin so eingeschränkt und überhaupt, naja, ...
... wurde der trocken-gymnasiale Vortrag durch die freundliche Nachfrage des Wachhabenden nach Fischereischeinen und Angelkarten unterbrochen.
Nach Vorzeigen hörten wir: 'Selbstverständlich könnt ihr vom Steg des Polizeigeländes aus angeln, Alexander, Stephan und Thomas ... ich setze meine Kollegen darüber in Kenntnis und fertige eine Notiz darüber an ... ihr meldet euch aber bitte immer an, wenn ihr das Gelände betretet. Ja?'
'JA!' (Sire, Gott, Herr über Leben und Tod, dreikehlig hoch und heilig versprochen)
So trotteten wir völlig verblüfft die letzten 300m über das Polizeigelände bis zum Steg ... dort angekommen, wurde ich blitzschnell äußerst praktisch, was mir später zum Verhängnis werden sollte.
Meine bevorzugte Angelseite vom Steg aus hatte ich schon vom entfernten Ufer aus ausgemacht ... da meine beiden Besten kurz taxierend zögerten, war ich schneller.
Meine anglerischen Habseligkeiten waren schnell an den bevorzugten Stegabschnitt geräumt, die erste Angel blitzschnell zur gewünschten Seite ausgelegt ... meine beiden Besten mussten notgedrungen den Platz einnehmen, der noch zur Verfügung stand.
Und so begab es sich, dass ich mit meinem Angelstuhl ganz nach vorn auf einen Querbalken rückte ... der sich am anderen Ende plötzlich wie eine Wippe erhob ... es gab noch den gefühlten Sekunden-Verzögerungseffekt mit Blick zu den Freunden (wie beim Roadrunner und Karl, dem Koyoten, wenn er bereits über dem Abgrund schwebt) ...
... und dann rauschte ich mit Sack und Pack, Stuhl und Angelkasten, in den See ... Manier: Seemannsköpper, Abzüge allenfalls in der B-Note für den künstlerischen Ausdruck.
Das Bergen von Mann und Material wurde mit vereinten Kräften zustandegebracht ... und kurze Zeit später fing Stephan, seines Zeichens heute Biochemie-Professor, die Kilo-Schleie, die jeder gerne gefangen hätte.
Vom schlechtesten Stegabschnitt heraus, wohlgemerkt, aber in meine Wunschrichtung ...
Ich hatte menschliche Schleienharke gespielt und den Grund bestens aufgewühlt, als ich kopfüber einschlug.
An diesem warmen Apriltag trocknete ich so schnell, dass ich auch weiterangeln und fangen konnte.
Somit machten sich am Ende des Angeltages drei Pimpfe hochzufrieden auf den Rückweg: neues Gelände erobert, einen Stegbrüchigen unter Einsatz des eigenen Lebens gerettet, gemeinsam 'ne Kilo-Schleie gefangen ... und gemeinsam ordentlich was zum Lachen gehabt.
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Fazit: Hast, Hektik, das Suchen des nur eigenen Vorteils und Ungeduld vertragen sich nicht mit Angeln und /oder Angelkollegen ... hier sind stets andere Werte gefragt.