Tierschutz -  Die vergessenen Aale

Mattes.

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Die vergessenen Aale

Einigen hier dürfte ich noch in Erinnerung sein. Ich hatte mich hier vor gut einem Jahr abgemeldet, weil mein zeitliches Budget zu knapp wurde. Nun habe ich mir einen neuen Account eröffnet, da ich wieder mehr Luft habe. Nicht ganz ohne Grund. Es gab und gibt zwar immer noch viel zu tun, aber ich möchte euch an einer meiner Aktionen teilhaben lassen.

Im Frühjahr dieses Jahres fuhr ich über eine Landstraße des linken Niederrheins, die zwei kleine Dörfer miteinander verbindet. Die Sonne stand schon tief und plötzlich blitze in einiger Entfernung hinter ein paar Büschen eine Wasseroberfläche auf, die ich bisher nie wahrgenommen hatte. Die Neugier war groß und ich wendete meinen Wagen, fuhr den Feldweg hinein und gelangte am Ende des Weges an drei nebeneinander liegende Kuhlen.

Unter Kuhlen verstehen wir hier die in der Regel Gewässer, die 1 bis 1,5 Meter Tiefe aufweisen, nicht durchflutet sind, in der Regel aber durch Stichkanäle an irgend welche kleinen Flüsse angeschlossen sind oder waren. Sie dienten früher vermutlich der Entwässerung der umgebenden Felder. Im Sommer werden sie sehr warm und leiden oft unter Sauerstoffmangel. Die, die ich kenne sind um i.d.R. um die 0,5 – 1 ha groß; selten 2. Viele davon leiden unter dem Nährstoffeintrag der umliegenden Felder und deren Bewirtschaftung. Die Summe der Sauerstoffzehrer ist hoch. Die Gülleschleudern auf den Äckern, die sie entwässern sollen, rotieren turnusmäßig.

Die freundliche alte Frau, die in auf dem Bauerhof erschienen war erklärte mir, dass sie (die Kuhlen) nicht mehr zu Fischereizwecken genutzt würden und ich ihren Sohn befragen müsste. Wir erzählten noch ein wenig und als letztes beschrieb sie mir noch eine kleine Waldkuhle ganz in der Nähe, in der sie früher immer schwimmen gewesen sei. Nun sei sie aber kaum noch zugängig. Die Wege dorthin seien überwuchert von Brombeersträuchern und sie sei schon lange nicht mehr dort gewesen.

Meine Neugier war erneut erweckt. Natürlich schlug ich mich durch diesen kleinen Wald in Sichtweite, um ihrer Aussagen nachzugehen. Tatsächlich traf ich nach einer viertel Stunde auf ein altes, von Bäumen und Gebüschen zugewachsenes Gewässer. Teilweise waren noch kleine Zugänge dorthin möglich, vermutlich gingen hier auch ab und an die Jäger durchs Unterholz. Die kleine Waldkuhle hatte durch den Laubeintrag der Jahrzehnte viel von ihrer eigentlichen Tiefe eingebüßt. Ich schätzte sie auf durchschnittlich noch 50 – 70 cm. Später fand ich allerdings auch noch Stellen, die bis knapp an 2 Meter reichten. Die Schlammmächtigkeit beträgt teilweise bis zu 80 cm. Zu Hause angekommen half mir die Landvermessungsseite Tim-Online das Gewässer genauer zu vermessen. 0,16 ha sollte sie haben. Hat sie aber nicht wirklich. Zumindest nicht bei den derzeitigen Grundwasserständen. Die Hälfte halte ich für realistisch.

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Was mir bei meinem ersten Besuch jedoch ins Auge stach, waren zwei Aale, die tot auf der Oberfläche trieben. Vermutlich Sauerstoffopfer des harten vergangenen Winters. Sie hatten bereits „Grünspan“ angesetzt.

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Die Korpulenz der verendeten Tiere war es, was mich an meisten beeindruckte. Beide Tiere waren ursprünglich gut 80–90 cm und unterarmdick. Ob da wohl noch mehr drin sind und wie sind sie dort hinein gekommen? Scheinbar wurde das Gewässer vor 10 bis 15 Jahren durch jemanden bewirtschaftet. Wie hätten sie auch sonst ihren Weg hierher finden sollen.

Um dies feststellen zu können, musste erst mal der Eigentümer gefunden werden. Einfach losangeln ist sich ja nicht in NRW! Ergo ging es über den Wirt eines Ausflugslokals in der Nähe zum Jagdaufseher, welcher mir die Daten der Eigentümerin nennen konnte. Eine Gräfin sollte es sein. Also zum Schloss gefahren und vorgesprochen. Was ich in meinen Gedanken vor mir sah, nämlich eine alte, griesgrämige Schachtel, entsprach nicht der Realität. Eine nette, noch recht junge Dame stellte sich mir als jene Blaublütige vor. Wir vereinbarten einen Vororttermin.

Am Tag als es soweit war, outete ich mich dann als Gewässerwart, der sich eher für die Daten des Gewässers interessierte und dass ich, falls dort noch Tiere verblieben seinen würden, diese eigentlich am liebsten umsetzen würde, damit sie abwandern können. Dies verbietet unser Gesetz aber leider. Also würde ich die Tiere fangen wollen, um sie zu räuchern. Ich erhielt im Gegenzug zu einer intensiven Untersuchung mit Wasserwerten, Fisch- und Pflanzenkataster, das Recht die Kuhle zu beangeln. Einen geräucherten Aal, so ich denn fängig würde, hatte sie auch gerne. Dies wurde versprochen und nun stand einer Befischung nichts mehr im Wege.

Ein paar Tage vergingen und ich zog zum ersten Mal auf die Aal-Pirsch. Direkt in dieser ersten Nacht ging mir auch der erste Aal an den Haken. Ich traf um 22:00 ein und eine Stunde später fuhr ich mit einem Prachtexemplar nach Hause. Er war um die 80 cm lang und wog satte 1368 Gramm. Da es mir zu gefährlich erschien, mir dieses Tier beim Selbsträuchern zu versauen, wollte ich ihn zwei Tage später zu einer professionellen Räucherei einreichen, damit die Jungs dort das Ganze erledigen würden. So kam es, dass ich zwei Tage vor meinem Aquarium saß, um das Tier zu beobachten. Je länger ich ihn mir anschaute, desto mehr widerstrebte es mir, den Aal zu schlachten. (Für die Kritiker: 240 Liter Becken mit ausreichend Sauerstoff, ständig überwachten Wasserwerten und guten Versteckmöglichkeiten.)

Ich unterhielt mich mit meinen Freunden um mich zu beraten. „Nein, du als Gewässerwart und Fischereiaufseher kannst und darfst die Tiere nicht aus/umsetzen, das gibt Ärger und am Ende bist du der Dumme“, so der Tenor der Beratung. Recht hatten sie ja, es verstößt nun mal gegen das Gesetz und Ende. Tags drauf fing ich ein zweites Exemplar, 10 cm größer, wiederum dick wie mein Unterarm. Silberiger Bauch, schwarzer Rücken, vergrößerte Augen. Abwanderbereit.

Die Sache ließ mir keine Ruhe und ich entschied mich für einen Anruf bei meinem Dienstherrn in der UFB. Dort bestätigt man mir selbstredend meine Denke, dass es kaum eine Möglichkeit gäbe, ein Umsetzen der vergessenen Aale aus meiner Kuhle zu genehmigen. Höchstens wenn dies von höherer Stelle angeordnet würde, dann …

Hatte nicht seinerzeit Fischereidezernent Dr. Melin von der OFB während der Ausbildung in Albaum gesagt wir können ihn jederzeit anrufen, wenn wir ein Problem hätten?! Hatte er! Ergo die Handynummer aus den Unterlagen gekramt, angerufen und frei heraus die Situation geschildert. Was ich zur Antwort erhielt warf mich vom Hocker. „Klar unterstütze ich diesen Gedanken. Die Tiere dürfen im Rahmen einer Fischsicherungsmaßnahme gefangen werden und in den Rhein umgesiedelt werden. Einer Genehmigung für eine Elektrobefischung steht nichts im Wege.“ Ich solle lediglich einen Antrag mit Berufung auf unser Gespräch an die UFB stellen und alles ginge seinen Gang. Ich war platt. So einfach geht das also. Ein paar Auflagen bezüglich der Gesundheit gab es natürlich, aber die konnten mit Hilfe des Rheinischen Fischereiverband ausgeräumt werden.

Da ich ziemlich zeitgleich eine Fischbestandsaufnahme eines anderen Gewässers mit dem RhFV tätigte, sprach ich das Thema dort natürlich auch an. Die Biologen vom Verband erklärten sich ohne große Umschweife bereit eine Mitwirkung zu prüfen. Wenige Tage später erhielt ich einen positiven Bescheid über eine Kooperation in der Sache. Nachdem ich nun die schriftliche Erlaubnis der Eigentümer hatte, konnte ich alle Anträge bei der UFB einreichen und innerhalb kürzester Zeit lagen alle Genehmigungen auf meinem Schreibtisch. Ein kurzes Sondierungsgespräch mit Dr. Stass dem Hegebeauftragten der Rheinfischereigenossenschaft und konnte es losgehen.

Die Ufervegetation der Waldkuhle lies eine E-Befischung nur unter widrigsten Umständen zu. Hohe Schlammmächtigkeit und weit ins Gewässer ragende Weiden und andere Pflanzen. Ich habe mich daher fürs Erste auf eine Reusenbefischung beschränkt. Wiederum der Rheinische Fischereiverband sendete mir 3 Reusen zu, mit denen ich mein Projekt beginnen konnte. Später erhöhten wir die Anzahl.

In den Zeiten der stillen Beobachtung konnte ich plötzlich Fische sehen, die mir vorher, trotz des klaren Wassers völlig entgangen waren.

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Ich konnte (recht junge) Rotaugenschwärme sichten, ebenso wie einen oder zwei lauernde kleine Hechte. Als Beifang der Reusen erhielt ich zudem Kenntnis über das Vorkommen von Barschen.

Anfänglich hatte ich meine Schwierigkeiten, die Reusen wirkungsvoll einzusetzen. Wollte ich den Verlauf des schlauchförmigen Gewässers sperren wollen, müsste ich hindurchwaten, um die Doppelreusen richtig aufzustellen. Dies war als Einmann-Unternehmen aber zu riskant, da ich dabei durch die Mitte hindurchwaten müsste, dort hin, wo der Schlamm am mächtigsten ist. Ein zweiter Mann zur Absicherung an der Leine fehlte mir. Deshalb stellte ich die Reusen anfangs parallel zum Ufer auf. Nur ein Aal verirrte sich innerhalb von zwei Wochen darin. Rückfragen durch gute Freunde an professionelle Fischer halfen mir aber weiter. Zudem hatte ich nun jemanden gefunden, der mich absicherte. So konnte ich die Reusen endlich so aufstellen, wir sie am sinnvollsten zu stellen waren, nämlich jeweils quer zum gesamten Gewässerverlauf. Zudem wurde es Herbst und die Aale wurden unruhig und begaben sich intensiver auf Wanderschaft innerhalb ihres Gefängnisses.

Seit der Anpassung gingen nun fast alle zwei Tage ein Aal in die Kammern der Reuse. Teils auch zwei Stück am Tag.

Irgendwann musste ich feststellen, dass die Aale doch nicht ganz von Jedermann vergessen sind. Ich fand drei Aalschnüre.

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Ich hatte mich darin verfangen, als ich durch Wasser zu den Reusen watete. Sonst hätte ich die unauffälligen Leinen nie bemerkt. Ich habe sie entfernt. Einen Erdspieß habe ich aber an der Stelle zurück gelassen und mit meiner Visitenkarte verziert. Mit einem netten Gruß des hiesigen Fischereiaufsehers.

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………………….

Für die Interessierten:

Wasserwerte:

07.06.2010 – 14:30 h

Wasser: klar
Geruch: leicht modrig/erdig
Temp Wasser: 14,3°
Temp Luft: 16,9°
O2: 1,9 – 3,8 mg/l
NO3:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
tolle sache! :respekt

ich persönlich hätte zwar keine zeit und nicht genug herzblut um mich für diese sache einzusetzen,aber ich finde es toll das es noch menschen gibt die nicht nur an sich und ihren vorteil denken.

mfg basti
 
Jawoll^^

hoffentlich lässt dieser fantastische Bericht einige Leute mal etwas umdenken im Umgang mit den Aalen. Ich habe vor kurzem auch einen Aal gefangen, als einziger von sehr vielen Anglern auf einer Seebrücke zur Ostsee, als ich diesen dann wieder schwimmen ließ und erklärte das ich jeden Aal der die Chance hat abzuleichen, und ich ihn nicht schwer verletzt habe durch den Drill, wieder schwimmen lasse erntete ich nur verächtliche Kommentare...

Das war nur ein Aal aber wenn jeder Angler so handeln würde könnten wir eine Menge bewirken.

Hat sich jedenfalls super gelesen der Bericht und mir ist das Herz aufgegangen!!!

Danke!

Gruß Ron
 
Upps,

danke jaykay, habe tatsächlich einen Kommafehler im Bericht. Es muss heißen: 0,16 ha, nicht 1,6 ha. Habe es nun korrigiert. Das Gewässer ist 162 Meter lang und zirka 10 Meter breit.
 
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