Im Namen des Volkes!
In der Strafsache gegen XXX wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz
Das Amtsgericht in Rinteln hat in der Sitzung vom 17.05.2000 (...) für Recht erkannt:
Die Angeklagten werden freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen
Auslagen der Angeklagten werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
(gem. § 267 Abs. 5 StPO)
Die Staatsanwaltschaft Bückeburg hat den Angeklagten jeweils mit Strafbefehl vom
22.12.1998 vorgeworfen, eine Tierquälerei gem. § 17 Nr. 2b Tierschutzgesetz begangen zu
haben.
Indem der Angeklagte XXX am 23.05.98 in Rinteln gegen 13.30 Uhr an dem linken Ufer der
Weser, Kilometer 164,200, mit 2 Handangeln die Fischerei ausgeübt und in einem dreieinhalb
bis vier Meter langen und im Durchmesser ca. 50 cm breiten Setzkescher, der sich in der
Weser befunden habe, mehrere lebende Fische gehältert habe, während der Angeklagte XXX
gleichfalls am 23.05.98 in Rinteln an der Weser, Kilometer 164,200, mit 2 Handangeln die
Fischerei ausgeübt und in einem Setzkescher, der in der Weser gelegen habe, 13 bereits
gefangene, jedoch nicht abgetötete Rotfedern gehältert habe.
Die Staatsanwaltschaft Bückeburg ist aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts
Düsseldorf vom 17. Oktober 1990 (301 OWi/905 Js 919/89 und des OLG Düsseldorf vom 20.
April 1993 (5 Ss 171/92 -59/92 l) davon ausgegangen, dass die Hälterung von Fischen in
Setzkeschern Tierquälerei im Sinne des § 17 Nr. 2b Tierschutzgesetz ist.
Die Angeklagten waren aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Nach der durchgeführten
Beweisaufnahme war nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit
festzustellen, dass bei der korrekten und waagerechten Anwendung eines dreieinhalb bis vier
Meter langen und im Durchmesser ca. 50 cm breiten Setzkeschers aus Nylongewebe, der
ordnungsgemäß verspannt ist, den in der Weser potentiell zu angelnden Fischen, insbesondere
Rotfedern, länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden
zugefügt werden.
Der Sachverständige Prof. Dr. Schreckenbach vom Institut für Binnenfischerei e.V. in
Potsdam - Sacrow hat dazu überzeugend ausgeführt, die korrekte Anwendung eines
Setzkeschers in der von den Angeklagten verwendeten Art, erzeuge zwar erhebliche
Stressreaktionen bei den Fischen, aber keine länger anhaltenden oder sich wiederholenden
erheblichen Schmerzen oder Leiden im Sinne des § 17 Nr. 2b oder 18 Abs. 1 Nr. 1 des
Tierschutzgesetzes.
Einleitend hat er dazu erläutert, es bestünden unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des
Schmerzempfindens der Fische, nach dem derzeitigen Wissensstand müsse angenommen
werden, dass der Schmerzsinn bei Fischen nur schwach ausgeprägt sei, insbesondere könne er
nicht mit menschlichen Maßstäben gemessen werden. Die Leidensfähigkeit von Fischen sei
unter Fachwissenschaftlern aber unbestritten. In der Forschung bestünde eine
Übereinstimmung, dass das Empfinden des Leidens bei Fischen eng mit dem Stresssyndrom
verknüpft sei. Dieses Stresssyndrom sei bei Fischen durch verschiedene Parameter messbar.
Der weitere Begriff der Schäden umfasse bei Fischen in der Regel eindeutig erkennbare
äußerlich sichtbare Verletzungen oder Veränderungen von Haut, Flossen und Kiemen.
Letztlich seien aber auch die mikroskopisch nachweisbaren Zell-, Gewebs- und
Organschädigungen darunter zu verstehen, wie sie bei unbewältigtem chronischen Stress
entstehen könnten. Der Sachverständige hat sich im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens
zu Material und Methoden zur Untersuchung der Stressreaktionen der Fische auf das Hältern
im Setzkescher geäußert und zu den ergänzenden Untersuchungen im Hinblick auf den
Einfluss von Wasserströmungen auf die Stressreaktionen von geangelten Rotfedern bei der
Lebenderhaltung im Setzkescher.
Der Sachverständige hat glaubhaft bekundet, im Rahmen der Untersuchung des Institutes für
Binnenfischerei seien keine nachhaltigen Beeinträchtigungen festgestellt worden. Soweit in
dem Gutachten des Prof. Klausewitz, das der Entscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf vom
17. Oktober 1990 zugrunde gelegen habe, festgestellt sei, die Fische seien in den
Versuchsreihen nachweisbar durch die Hälterung in den Setzkeschern beeinträchtigt worden,
beruhe dies nach seiner Einschätzung auf einer in den damaligen Verhältnissen falschen
Anwendung der Setzkescher. Ausweislich der Beschreibung der Methodik sei der Setzkescher
in dem damaligen Verfahren an einem Boot hängend angebracht worden, dies sei jedoch
erheblich fehlerhaft. Zum einen müsse das Netz horizontal verspannt werden, da dies die
natürliche Schwimmbewegung des Fisches sei, er mithin die Länge von dreieinhalb bis vier
Metern nur ausschöpfen könne, wenn das Netz horizontal verspannt sei, des weiteren dürfe
das Netz nicht an einem beweglichen Körper, wie z.B. einem Boot befestigt werden, da dann
durch die Bewegung des Bootes auch das Netz in Bewegung versetzt würde, wodurch
tatsächlich mechanische Beschädigungen bei den Fischen entstünden. Wenn ein Setzkescher,
wie in der damaligen Versuchsanordnung beschrieben, lediglich mit dem Bleigewicht ins
Wasser gesenkt würde, bliebe dem Fisch aufgrund seiner natürlichen Schwimmbewegung
lediglich ein Aktionsradius in der Größe des Durchmessers des Netzes, mithin von ca. 50 cm,
dies sei bei einem Fisch von ca. 20 cm zweifellos zu wenig, der Fisch gerate dann in Panik,
dadurch stoße er an die Seitenwände des Netzes, so dass die von dem damaligen
Sachverständigen festgestellten Beeinträchtigungen auftreten würden. In einer Tiefe von
eineinhalb bis zwei Metern sei die Sauerstoffversorgung der Fische auch nicht ausreichend, so
dass die festgestellten Beeinträchtigungen der untersuchten Fische auch hierauf beruhen
könnten. Soweit andere Untersuchungen in einem Aquarium durchgeführt worden seien, habe
es sich bei den untersuchten Fischen um sogenannte Futtertische für den Zoo gehandelt. Dies
bedeute, daß die Fische zunächst aus ihrem Ursprungsgewässer in ein anderes Gewässer
transportiert worden seien, zum Zwecke der Untersuchung sein sie dann wieder in ein neues
Gewässer gesetzt worden, gerade der Wasserwechsel stelle aber eine erhebliche Belastung für
einen Fisch dar, so dass die festgestellten Belastungen der Fische auch auf dem
Wasserwechsel beruhen könnten.
Der Sachverständige Prof. Schreckenbach hat in seinem schriftlichen Gutachten die Methodik
seiner Untersuchung und die festgestellten Parameter festgehalten. Das Gericht vermag hier
keine Fehler der Untersuchungsmethode festzustellen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der
Sachverständige hier bewusst falsche Angaben vor dem Gericht gemacht hat. Er hat insoweit
eingeräumt, seine Darlegung auf dem derzeitigen Stand seiner Erkenntnisse vorgetragen zu
haben. Aus wissenschaftlicher Sicht könne er lediglich seine Methodik genau darlegen und
damit die Möglichkeit eröffnen, Denk- oder Untersuchungsfehler zu erkennen. Der
Sachverständige hat auch keinen Zweifel daran gelassen, dass es sich bei der Hälterung der
Fische im Setzkescher um eine Stresssituation für den Fisch handelt, Stresssituationen seien
aber für einen Fisch nicht grundsätzlich artfremd. Die durchgeführten Untersuchungen hätten
gezeigt, dass die nach 4 Stunden angezeigten Parameter nach 8 Stunden teilweise bereits
wieder abgesunken seien, dies zeige, dass der Fisch angemessen auf die veränderte Situation
reagieren könne. Nach ca. 1 bis 2 Tagen zeigten die zurückgesetzten Fische auch wieder
Normalverhalten. In Anbetracht der langsameren Stoffwechselprozesse aufgrund der
geringeren Körpertemperatur der Fische, handele es sich hier um Zeiträume, die noch nicht
als länger andauernd im Sinne des Tierschutzgesetzes angesehen werden könnten. Unter der
Berücksichtigung, dass der vom Tierschutzgesetz verlangte vernünftige Grund des Angelns
hier in der Absicht des späteren Verzehrs vorlag, ergaben sich mithin erhebliche Zweifel, ob
nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft tatsächlich noch die Feststellungen des
Amtsgerichts Düsseldorf und des OLG Düsseldorf in den genannten Verfahren sachlich
gerechtfertigt sind, die Angeklagten waren daher nach dem Grundsatz "im Zweifel für den
Angeklagten" von dem Vorwurf der Tierquälerei durch das Hältern von Fischen in
Setzkeschern freizusprechen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StOP
Aktenzeichen: 6 Cs 204 Js 4811/98 (245/98)
(veröffentlicht in FISCHEREI IN HESSEN 3/2000)