Gewässerökologie -  Aquat. Ökologie, Teil III - Seen: Stoffkreisläufe und das Problem Eutrophierung

Thomas II

Neuer Petrijünger
Hier folgt nun der dritte Teil des ökologischen Kompendiums über stehende Gewässer. In diesem Teil steht die Chemie im Vordergrund, nicht die Biologie, denn wir wollen uns mit den Kreisläufen der wichtigsten Nährstoffe im Wasser vertraut machen. Unter den Bedingungen eines eutrophierten (überdüngten) Gewässers kommt es zu einigen Folgeerscheinungen, die ebenso interessant wie durch unser aller Handeln am Gewässer beeinflussbar sind.
Halten wir uns aber nicht mit langen Vorreden auf, sondern stürzen uns mitten hinein in die Thematik, die im dritten Teil vor allem etwas für die wirklich Interessierten sein wird. Es wird ziemlich ins Detail gehen, ich hoffe aber, dass für alle die eine oder andere interessante Information oder Erklärung vorhanden sein wird.


1. Atomare Makro-Nährelemente und ihre molekularen Verbindungen, eine Übersicht...

Organismen benötigen die Nährelemente, überwiegend in Form molekularer Verbindungen, für Wachstum (Aufbauprozesse) Stoffwechselprozesse (Umbau, Metabolismus) und Abbauprozesse (Katabolismus), manche davon in größeren Mengen (Makro-Nährelemente), andere in sehr geringen Mengen (Mikro-Nährelemente).

Die Liste der Makro-Nährelemente ist kurz: C, H, O, N, S, P....Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und Phosphor. Diese treten in stehenden Gewässern in einigen wenigen charakteristischen Verbindungen (Molekülen) auf, die das zentrale Thema dieses dritten Kompendiums sein sollen.

Wir erinnern uns gemeinsam noch einmal daran, dass die photoautotrophe Algenzelle(die Zucker aus Lichtenergie (photo), Wasser und CO2 aufbaut und somit selbstversorgend (autotroph) ist)Grundlage für jedes tierische Leben ist, das Leben der Verwerter der pflanzlichen Aufbauleistung, der heterotrophen Organismen.

Was ist eigentlich interessant an Stoffkreisläufen? Seen verlanden im Laufe der Zeit, sie sind keine geschlossenen Ökosysteme....sondern wandeln sich final zu Landökosystemen um!

Die Stoffe, die periodisch eingetragen werden, können meist nicht vollständig abgebaut werden, die Bilanz ist Jahr für Jahr negativ...somit werden die Seen immer flacher und irgendwann im Laufe der Zeit erobern Pflanzen das einstige Seenbecken....das ist der natürliche Alterungsprozeß eines Sees, der zu folgenden Nachfolge-Ökosystemen führt: Seggenried, der in einen Bruchwald hinüberführt oder Moorbildung (Stichwort für die Sonderform Schwingrasen: eine Pflanzendecke, die sich vom Ufer her immer weiter in den See hineinschiebt). Tröstlich für uns, dass solche Vorgänge sehr viel Zeit benötigen...viele Menschenleben.

Die Kreisläufe, die zu besprechen sein werden, sollen folgende sein: der Kohlenstoff-, Stickstoff, Schwefel- und Phosphor-Kreislauf....zuerst besprechen wir aber den pH-Wert:



2. pH-Wert

Zuerst einmal müssen wir für die weiteren Ausführungen den Begriff pH-Wert klären, denn dieser ist evtl. nicht jedem geläufig, das Verständnis aber grundlegend für die weiteren Ausführungen.

pH heißt ausgeschrieben potentia hydrogenii, die Macht oder Kraft des Wasserstoffes....chemisch wird er in einer Skala von 0 bis 14 angegeben.

pH 0 ist die stärkste Säure (Magensäure: etwa 1, „saure Reaktion“)
pH 7 ist der Neutralpunkt
pH 14 ist die stärkste Base
(=Lauge, „alkalische Reaktion“)

Zur Verdeutlichung und genaueren Einstufung von pH-Werten schauen wir auf die nachfolgende Grafik, die uns die Färbung eines Universalindikator-Papieres nach Eintauchen in eine zu untersuchende Lösung zeigt:

ph.JPG


Wie kommt aber die „Kraft des Wasserstoffes“ zustande?

Das liegt an der Tatsache, dass 2 Wassermoleküle miteinander interagieren bzw. dissoziieren:

2 H2O ---> H3O+ OH-
(eigentlich: H2O ---> H+ + OH-)

Die freien H+-Ionen sorgen für eine saure Reaktion, das freie Hydroxid-Ion (OH-) für eine basische Reaktion, hier gleichen sie sich aber mengenbedingt zur Neutralität aus. Diese Reaktion nennt sich die Autoprotolyse des Wassers (gr. autos=selbst, gr. lysis=Auflösung).

Wenn wir z.B. einen Liter destilliertes Wasser bei 25 Grad C. betrachten, reagiert aber nur ein winziger Bruchteil der Wassermoleküle nach obiger Reaktionsgleichung: nämlich genau 10 hoch minus 7 mol/l.

Das ist eine ziemlich krumme Zahl, die den Wissenschaftlern etwas unhandlich erschien, daher entschlossen sie sich, die Zahl anders darzustellen, nämlich in der negativ dekadischen, logarithmischen Schreibweise.

Der negative dekadische Logarithmus von 10 hoch minus 7 ist: 7, und das ist unser neutraler pH-Wert für destilliertes Wasser.

Nun haben wir prinzipiell unser Rüstzeug beisammen, um zu den Stoffkreisläufen überzugehen...



3. Kohlenstoffkreislauf

Die beiden wichtigsten Kohlenstoff-Verbindungen sind zum einen Kohlendioxid (CO2) mit seinen gelösten Formen in Wasser, zum anderen CH4 (Methan), das zusammen mit H2S (Schwefelwasserstoff) auch als sog. Faulgas bezeichnet wird.

CO2 wird von Pflanzen für die Photosynthese benötigt, wird aber auch bei Abbauprozessen frei oder von vielen Organismen ausgeatmet (als gasförmiges Endprodukt des Stoffwechsels).

CO2 befindet sich natürlich in der Atmosphäre, der größte CO2-Speicher der Erde sind aber die Weltmeere, hier wird 50 mal mehr CO2 einbehalten und gebunden....die wichtigsten Reaktionen von CO2 in Wasser sind auch für unseren Süßwasser-Modellsee gleich. CO2 löst sich besser als O2 oder N2 in Wasser, die Löslichkeit selbst ist temperaturabhängig.

CO2 diffundiert passiv ins Wasser oder wird bei Regenfällen aus der Atmosphäre eingetragen, somit haben wir unsere ersten Reaktionen:

gleichgewco2.JPG

Die Gleichgewichtskohlensäure

Zuerst reagiert Wasser mit Kohlendioxid zu Kohlensäure (Gleichung 1).
Diese dissoziiert zu einem positiven Wasserstoff-Ion und einem negativ geladenem Hydrogencarbonat-Ion (Gleichung 2).
Bei sehr hohen pH-Werten dissoziiert das negativ geladene Hydrogencarbonat-Ion weiter zu einem doppelt negativ geladenen Carbonatrest und einem positiv geladenen Wasserstoff-Ion (Gleichung 3).

Grundsätzlich ruft der CO2-Eintrag ins Gewässer also eine leicht saure Reaktion hervor (wegen der freien H+-Ionen!).

Bitte beachtet 2 Dinge: die pH-Abhängigkeit der Reaktionen zum einen, die Umkehrbarkeit der Reaktionen (Doppelpfeil) zum anderen!

In unserem Gewässer befinden sich Ca2+-Ionen (Calcium-Ionen), die „gern“ Hydrogenkarbonate oder Carbonatreste einfangen: dabei entsteht Ca(HCO3)2 (Calciumhydrogenkarbonat) oder CaCO3 (Kalk) – je nach im Gewässer vorherrschenden pH-Wert (s. Abbildung oben)!

Das Calciumhydrogencarbonat (auch als sog. Karbonathärte bezeichnet) ist das Puffersystem des Sees, es gewährleistet, dass eine hohe Menge chem. gebundenes CO2 im See gespeichert werden kann sowie durch Umkehr der Reaktionen eine erneute Bereitstellung von CO2 im ungebundenen Zustand, ist also zugleich die Kohlendioxidreserve des Systems. Die wichtigste Funktion des Puffers ist es aber, den pH-Wert im See annähernd stabil zu halten und somit für stabile Lebensbedingungen für die Organismen des Ökosystems zu sorgen!

Das Ausfällen von Kalk haben einige von euch durch Beobachtung bestimmt schon einmal erkennen können: auf den Blättern von Wasserflanzen bilden sich weiße Überzüge, die auch weiter grundwärts absinken können – die sog. Seenkreide. Kalk ist sehr schwer löslich – es sei denn, in CO2-haltigem Wasser.

Mindestens am bzw. sicher im Grund (Sediment) ist wegen der erhöhten Abbauaktivität der Mikroorganismen CO2 als deren Endprodukt auf jeden Fall wieder vorhanden, somit kann der ausgefällte Kalk abermals in Lösung gehen:

kompensation.JPG

Lösung des Hydrogencarbonats in CO2-haltigem Wasser

Viele Wasserpflanzen bedienen sich aber auch direkt am Hydrogenkarbonat HCO3-, um ihren CO2-Bedarf für die Photosynthese zu decken....dabei verbleibt dann ein OH- (Hydroxidion), d.h.: photosynthetische Aktivität bedeutet stets ein Ansteigen des pH-Werts! Ein „normales“ Gewässer mit „normaler“ Photosyntheseaktivität wird also einen pH-Wert um etwa 8 aufweisen.

Nun zum Methan: wenn zur Zeit der Sommerstagnation nur noch wenig oder gar kein Sauerstoff grundwärts gerichtet zur Verfügung steht, herrschen reduzierende Eigenschaften, denn Sauerstoff für Oxidationsprozesse steht nicht mehr oder nicht ausreichend zur Verfügung. Das Kohlenstoff-Atom verbindet sich mit 4 Wasserstoff-Atomen zum CH4, dem gasförmigen Methan.

Jeder von euch kennt die Blasen, die ohne Gründelaktivität von Friedfischen vom Gewässergrund her aufsteigen: das sind meist Methan-Blasen, die sich aus dem Sediment heraus abgeschnürt haben und zur Oberfläche steigen.

Fassen wir noch einmal kurz zusammen:
Das Calciumhydrogencarbonat ist ein Puffersystem und eine CO2-Reserve für unser stehendes Gewässer. Es steht im Gleichgewicht zum im Wasser gelösten CO2, der sogenannten Gleichgewichtskohlensäure. Wenn dem Wasser des Sees CO2 durch Photosynthese oder Temperaturerhöhung entzogen wird, kann CaCO3 (Kalk, Seenkreide) ausfallen, weil durch hohe Photosyntheseleistungen der pH-Wert tendentiell ins Basische (Alkalische) ansteigt. Das Gleichgewicht von gelöstem CO2, Hydrogencarbonat und Kalk ist, wie aus den ersten drei Gleichungen von 1.2 ersichtlich, pH-abhängig. Je härter, also kalkreicher, unser Seewasser ist, umso pH-stabiler ist das gesamte Ökosystem. Und das ist nicht unwichtig...

Im letzten Teil des Artikels werden wir noch einmal auf den Kohlenstoff-Kreislauf zurückkommen und einige Auswirkungen unter dem Aspekt der Eutrophierung besprechen.



4. Stickstoffkreislauf


Wir sehen recht schnell, dass nur 5 Bindungsverhältnisse von Stickstoff zu besprechen sind, die zugrundeliegenden Reaktionen sind sehr viel einfacher als beim Kohlenstoff-Kreislauf.

Im einzelnen sind dies N2, NO2- (Nitrition), NO3- (Nitration), NH4+ (Ammonium-Ion) und N2O (Distickstoffoxid).

n_bick.gif


Wir müssen zuerst einen Startpunkt zum Besprechen der Grafik festlegen, nehmen wir einfach den schematischen Flusseinlauf links oben.

Dieser bringt Ammonium und Nitrat ins Wasser, die hauptsächlichen Pflanzennährstoffe auf Stickstoff-Basis. Über Niederschläge (rechts oben) gelangt über das Abspülen von Ufern ein weiterer Anteil dieser Verbindungen in das Wasser unseres Sees.

Direkt daneben sehen wir, wie N2, atmosphärischer Stickstoff, ins Gewässer eingetragen und genutzt wird. Zum einen diffundiert er passiv ins Gewässer, zum anderen wird er direkt der Atmosphäre entzogen oder dem Wasser nach Diffusion entnommen. Nur wenige Organismen sind imstande, N2 direkt ohne vorhergehende Umsetzungen zu verwerten. Diesen Trick beherrschen am Ufer Frankia, ein Schlauchpilz, der eine symbiotische Beziehung mit Erlenwurzeln unterhält, im Seewasser selbst verschiedene Blaualgen-Arten (Synonym: Cyanobakterien) und ein paar Bakterien.

Es gibt also nur sehr wenige Organismen, die N2 in Reinform assimilieren können. Das merken wir uns erst mal, wir kommen am Ende des Artikels noch einmal darauf zurück...

Nun gehen wir die Zahlen 1-4 zu den Reaktionen kurz durch:

1) Ammonifikation: organische Stickstoffverbindungen werden bakteriell zu NH4+ abgebaut oder von Organismen mehr oder weniger direkt abgeschieden (Kot, Harn)
2) Nitrifikation: NH4+ wird in zwei Schritten über Nitrit zu Nitrat oxidiert. Den ersten Schritt führen Bakterien der Gattung Nitrosomonas aus, den zweiten Bakterien der Gattung Nitrobacter. Nur bei Störungen kann sich Nitrit anreichern, das fischtoxisch wirkt.
3) Denitrifikation: Nitrat (NO3-) wird über den Zwischenschritt Nitrit (NO2-) zu Stickstoffoxiden (N2O, NO) reduziert, darauffolgend zu N2, das wieder in die Atmosphäre austreten kann.
4) Nitratammonifikation: Nitrat (NO3-) wird über den Zwischenschritt Nitrit (NO2-) zu Ammonium reduziert (NH4+).

Soweit die Reaktionsschemata.....wenn ihr jetzt noch einen letzten Blick darauf werft, wo die Reaktionen im Gewässer ablaufen, habt ihr den Stickstoff-Kreislauf in den wichtigsten Schritten bereits intus...

Kleine Hilfe noch: im Epilimnion (Oberflächenwasser) gibt es noch Sauerstoff, es herrschen also oxidative Bedingungen....unter dem Grenzbereich Sprungschicht gibt es wenig oder gar keinen Sauerstoff, also haben wir hier reduzierende Bedingungen.

Die nachfolgende Grafik fasst das Wichtigste noch einmal komprimiert zusammen:

n-kreislauf.gif


Ich glaube, das haben wir jetzt, oder....?

Schreiten wir weiter zum...



5. Schwefelkreislauf


Den halten wir knackig kurz. Uns sollen nur die beiden Verbindungen Sulfation (SO4--) und das Faulgas Schwefelwasserstoff (H2S) interessieren.

Unter oxidativen Bedingungen wird Schwefel als Abbauprodukt von organischem Material zu Sulfationen hochoxidiert, unter reduzierenden Bedingungen geht unser Schwefelatom die Verbindung zum H2S, dem Faulgas Schwefelwasserstoff, ein. Ich bin mir sicher, dass ihr selbst wisst, in welchen Gewässerabschnitten die Reaktionen stattfinden...knapper Hinweis: die beschriebenen Schritte werden von verschiedenen Bakteriengattungen durchgeführt.

Somit ist schon der Weg frei für den:



6. Phosphor-Kreislauf

Auch diesen werden wir möglichst knapp halten, aber zusätzlich noch mit ein paar Fakten anreichern. Denn: dieser Kreislauf ist sehr wichtig...und es geht fast nur um die hochoxidierte Verbindung Phosphation (PO4--).

Unter natürlichen, wir müssen leider sagen vom menschlichen Wirken befreiten Umständen, ist der Phosphatgehalt sehr gering...vor unserem geistigen Auge sehen wir einen oligotrophen See. Der natürliche Phosphatgehalt stammt aus Verwitterungen phosphathaltigen Gesteins (vor allem Apatit).

Nun kommen wir selbst in Spiel: zum einen verstärken wir Erosions-Erscheinungen durch landwirtschaftliche Maßnahmen, zum anderen gibt es auch heute noch Einleitungen von Haushalts- und Fäkal-Abwässern.

Jeder Mensch scheidet pro Tag etwa 2g organisch gebundenes Phosphat ab...bis Ende der 70er Jahre kam dieselbe Menge aus Waschmittel-Rückständen hinzu...also 4g pro Person und Tag.

Heute sind wir glücklicherweise weiter....und unsere Phosphateinträge in aquatische Ökosysteme sinken beständig.

In kurzen Worten festzuhalten ist, dass das Vorhandensein von Phosphaten im Seewasser der limitierende Faktor für Wachstumsprozesse ist...Nitrate stehen erst an zweiter Stelle.

Der Phosphatkreislauf ist eng mit dem Eisen-Kreislauf verbunden, schauen wir uns das an:

p-kreislauf.gif


Zum einen haben wir einen epilimnischen Kreislauf, der zeitlich sehr kurz angesetzt ist. Jedes dort befindliche Phosphat (PO4--, das Orthophosphation) wird 10-40 mal pro Jahr umgesetzt....gebunden, freigesetzt, gebunden, freigesetzt usw...jeweils mit dem individuellen Ableben von Organismen und der Aufnahme durch noch lebende verbunden.

Der längerfristige geochemische Kreislauf ist der interessantere...und hier kommt Eisen (Fe) ins Spiel:

Je nachdem, ob im Hypolimnion und in Sedimentnähe noch Sauerstoff vorhanden ist, treten Eisen-Ionen inverschiedenen Zuständen auf: bei O2-Mangel als leicht wasserlösliches Fe++-Ion (reduzierte Form), bei vorhandenem Sauerstoff als quasi unlösliches Fe+++-Ion (oxidierte Form)...

Wenn oxidative Bedingungen herrschen, fällt grundwärts Eisenphosphat (FePO4) aus (die sog. Phosphatfalle)...sinkt der O2-Gehalt aber unter 10% Sättigung, steht über dem Sediment eine phosphathaltige Nährstoffbrühe, die bei schweren Gewittern oder Stürmen wieder ins Epilimnion gelangen kann. Auch über aufsteigende Methanblasen kann Phosphat mitgerissen werden und ins Oberflächenwasser gelangen (die sog. Methankonvektion).

Den Zustand der Sauerstoffversorgung in eurem Gewässer zur Sommerzeit könnt ihr leicht bestimmen, nehmt einfach mal eine Bodenprobe an einer tieferen Stelle:

- ist sie schwarz, besteht die Deckschicht aus Eisensulfid (FeS), kein O2 vorhanden, stammt aus der Reaktion mit H2S
- ist sie rötlich, besteht die Deckschicht aus ausgefälltem Fe+++...rötlich-braune Färbung, das sog. Ocker-gyttja

So....jetzt hätten wir das eigentlich geschafft....zuletzt fassen wir alle Einzelheiten der verschiedenen Kreisläufe noch mal zusammen, besprechen Auswirkungen und leiten vernünftige Verhaltensweisen am Gewässer für uns ab....somit ist es Zeit fürs ....
 
Fazit

7. Fazit unter Berücksichtigung der Phänomene Eutrophierung und Übersäuerung von Gewässern

Nun endlich zur Anwendung des neugewonnenen Wissens....wie kommt es zum Phänomen der Übersäuerung und wie kann entgegengewirkt werden?

Ganz einfach: die Übersäuerungs-Phänomene sind vor allem aus skandinavischen Gewässern bekannt....dort bedingt häufig die geologische Substanz der Seebecken, dass zu wenig Kalk vorhanden ist, somit nur eine geringe Karbonathärte des Wassers vorliegt. Das bedeutet nichts weiter, als dass nicht-menschlich bedingt keine vernünftige Hydrogenkarbonat-Pufferung des Systems vorliegt (s. Kohlenstoff-Kreislauf).

Die Säuerung kommt dadurch zustande, dass industrielle Abgase (vor allem Schwefeloxide SOx) mit Regenfällen ins Gewässer gespült werden und spätestens dort zu Schwefliger Säure (H2SO3) oder Schwefelsäure (H2SO4) reagieren...dagegen hilft Kalken. (s. 2. Kohlenstoffkreislauf).

So....nun sind wir fast an den Schluss des dritten Teils des Kompendiums angelangt....und nun verbinden wir endlich die gesamten sperrigen Fakten zu einem Gesamtbild....nun nehmen wir uns die Vorgänge bei Eutrophierung vor!

Eutrophierung heisst Überdüngung...also liegen vor allem die Pflanzen-Nährstoffe Phosphat, Ammonium und Nitrat in überhöhten Mengen vor...

Nun kommen wir zu den Folgeerscheinungen.....und jetzt wird’s hart....fürs stehende Gewässer und auch für uns Angler.

Wir fangen mit dem Kohlenstoffkreislauf an...Eutrophierte Gewässer weisen erhöhten Pflanzenbestand auf (vor allem Algen), diese Gemeinschaft entzieht dem Wasser immer mehr Gleichgewichtskohlensäure, der pH-Wert steigt immer mehr an...

Bekommt dem Gewässer nicht wirklich gut...in den oberen (produzierenden) Schichten geht der pH in die Höhe, CO2 ist Mangelware, Nitrat und Phosphat sowieso...und Sauerstoff perlt durch die extrem hohe Photosyntheseleistung geradezu in die Atmosphäre aus.

Ohne CO2 fehlt aber ein essentieller Grundbaustein für die Photosynthese...eine Flaschenhalssituation entsteht....die Algen sterben ab, sinken zum Grund....und ihr Abbau sorgt für weiteren Sauerstoffschwund.

In kalkreichen Gewässern wird das abgepuffert (pH bis 8... in kalkarmen Gewäsern steigt der pH-Wert flink auf 9 an...ist der Hydrogencarbonatpuffer erst mal aufgebraucht, gibt es eine problematische Reaktion, die Hydrolyse des Kalks: dabei entsteht Calciumhydroxid Ca(OH)2, um CO2 freipressen zu können....wenn diese Verbindung dissoziiert, steigt der pH bis 11 an...

Damit es aber keine Missverständnisse gibt: ph11 wird nur in kalkarmen Gewässern erreicht....schaut im Sommer also nicht sofort missmutig auf euer eutrophes Vereinsgewässer, ohne Informationen über die Qualität des Puffersystems eingezogen zu haben.

Nun sitzt ihr aber doch grad an solch einem Gewässer und angelt sommerlich auf 2-3m Tiefe, eben in der photosynthetisch aktiven Schicht....Schneidergarantie!

Ihr mutet den Fischen ein Durchschwimmen von verdünnter Natronlauge zu, um zu eurem Köder zu finden...(s. 1. Grafik zum pH-Wert).

Mit dem Stickstoffkreislauf sieht’s nicht besser aus: entweder reichert sich durch Störung der Nitrifikations-Gleichung das Zwischenprodukt Nitrit an (NO2, fischtoxisch, vgl. Gleichung 2 zu 3. Stickstoffkreislauf) oder bei hohem pH-Wert, den wir ja wegen der hohen Photosynthese-Leistung vorzuliegen haben, dissoziiert das Ammonium-Ion zur Base Ammoniak...

Auch hier werden sich unsere Fische uninteressiert zeigen: wieder pH11....doppelte Schneidergarantie (wenn es, siehe oben, bereits im Puffer-System aussetzt...).

Die Fische stehen in einem solchen Fall natürlich tiefer....und von dort unten setzt ihnen womöglich noch der fortschreitende Sauerstoffschwund zu...der Bereich mit akzeptablen Lebensbedingungen wird immer enger...

Aus eutrophierten Seen ist euch das Phänomen der Algenblüte bekannt, vor allem der Blaualgenblüte. Warum eigentlich gerade Blaualgen?

Unser Gewässer ist ja prinzipiell überdüngt, also hoch mit Nährstoffen angereichert, die für pflanzliches Wachstum zur Verfügung stehen. Also explodieren die Bestandsdichten der verschiedenen Algen förmlich, betreiben sehr fleißig Photosynthese und Vermehrung....und plötzlich fehlen die notwendigen Nährstoffe: Nitrat und Ammonium sind aufgebraucht, Phosphat ist nicht mehr vorhanden, der Hydrogencarbonat-Vorrat ist aufgebracht...mehrfache Flaschenhalssituation!

Viele Algen sterben ab und sinken zu Boden...dort sorgt ihr Abbau für weiteren Sauerstoffschwund.

Unsere Blaualgen (Synonym: Cyanobakterien) aber greifen tief in ihre Trickkiste. Sie sind nicht auf Ammonium oder Nitrat als Stickstoffquelle angewiesen, sie beherrschen die N2-Fixierung, ein bedeutsamer Vorteil gegenüber den anderen Algengruppen.

Nun fehlt ihnen eigentlich nur noch Phosphat....das befindet sich nicht mehr in den oberen Gewässerschichten des Epilimnions, sondern in Grundnähe. Da der Nährstoffhaushalt des Sees gestört ist, liegt Eisen in Grundnähe nicht in der oxidierten dreiwertigen, sondern in der reduzierten zweiwertigen Form vor, kann also die Phosphationen nicht mehr binden: die natürliche Nährstofffalle des Sees funktioniert nicht mehr!

Und nun führen die Blaualgen einen zweiten wesentlichen Trick durch: sie tauchen durch die Sprungschicht hinunter ins Hypolimnion und bedienen sich dort in der Nährstoffbrühe. Aufgenommenes Phosphat wird in Blaualgenzellen in sog. Phosphatgranula gespeichert. Wenn genügend Nährstoffe aufgenommen sind, steigen die Blaualgen einfach wieder auf ins Epilimnion, dem Licht entgegen, das essentielle Bedingung für Photosynthese ist.

Für alle anderen Algen bedeutet ein Absinken unter die Sprungschicht das Todesurteil, sie gehen direkt in den Bestandsabfall über. Deshalb finden sich an solchen Algenzellen häufig bizarr anmutende Schwebefortsätze, diese dienen nur dem Zweck, das passive Absinken in die Todeszone zu verlangsamen und nicht zuviel Energie für aktive Schwimmbewegungen zu vergeuden. Nur Blaualgen beherrschen den Hypolimnion-Trick, der sie den expliziten Nährstoffmangel in den oberen produktiven Schichten des Gewässers überwinden lässt.

Und so entstehen in überdüngten Gewässern häufig Blaualgenblüten...und dann steht das Gewässer bereits ganz knapp vor dem endgültigen Umkippen...

Unter genannten Aspekten ist es mehr als sinnvoll, zusätzliche Nährstoffeinträge in unsere Gewässer zu verhindern.

Dies wird in großem Rahmen durchgeführt (Verzicht auf Stickstoff-Düngung auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, fachgerechte Entsorgung von Haushalts- und Fäkalabwässern etc.).

Aber auch jeder von uns kann einen eigenen Beitrag dazu leisten. Als erstes ist hier der Verzicht auf jegliches Anfüttern beim Angeln zu nennen, sollte dies nicht akzeptabel sein (warum auch immer), so sparsam Anfüttern wie nur eben möglich.

Die zweite Möglichkeit ist Biomassenentnahme, denn damit gelangen organisch gebundene Nährstoffe ebenfalls aus dem Stoffkreislauf des Sees heraus. Die Verwertung gefangener Fische ist eine mögliche Maßnahme, die Entnahme pflanzlicher Biomasse eine wesentlich sinnvollere.

Nennen wir noch eine Fausformel, um oligotrophe und eutrophe Seen voneinander abzugrenzen:

Bei oligotrophen Seen halten sich Bruttoprimärproduktion und Respiration (Atmung) die Waage, also entstehen rein theoretisch keine Ablagerungen nicht abbaubaren Materials (Sedimentbildung). Bei eutrophen Seen ist die Bruttoprimärproduktion höher als die Respiration: das bedeutet, dass sich im Durchschnitt jährlich eine 2mm-dicke Schicht auflagert, die nicht mehr abgebaut werden kann. Dies ist die problematische, durch Eutrophierung bedingte, beschleunigte Seenalterung....

Überlegt euch doch einmal in euren Vereinen, ob im Rahmen der Gewässersäuberung nicht auch pflanzliche Biomasse entnommen werden könnte. Am Ufer könnte eigens zu dem Zwecke angepflanztes Rohr geschnitten werden, auf dem Gewässer könnten ein paar Boote mit Rechen z.B. den Bestand der Kanadischen Wasserpest (Elodea canadensis) ausdünnen, die es so gut wie überall gibt. Es dürfte kaum ein Problem sein, ein paar Bootsladungen mit ihr voll zu bekommen...Schwimmendes Laub könnte ebenfalls eingesammelt werden, abgebrochene Äste aus dem Wasser entfernt werden...oder sogar umgestürzte Bäume. Alles vernünftige Beiträge zur Gewässerpflege ... ohne jetzt noch die Abbauwege cellulosehaltiger Materialien ins Spiel bringen zu wollen ...

Und so sieht sie aus, die Kanadische Wasserpest, ein nicht-einheimischer Invasor:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kanadische_Wasserpest

Die Wasserpest ist so schnellwüchsig, dass man sich sogar vorstellen könnte, sie in abgegrenzten Bereichen (Bassins) absichtlich zur Nährstoffentnahme zu halten und zu nutzen. Dann ließe sich zwischendurch schnell mal ein Boot füllen, ohne großartig den Rechen schwingen zu müssen ...

So, das war’s....hoffe, der dritte Teil ist nicht zu detailreich geworden und ihr hattet ein wenig Spaß beim Lesen. Wie immer bitte ich um reichlich Feedback, konstruktive Kritik und Anregungen.... aus freien Stücken würde ich ansonsten so langsam zu Fließgewässern übergehen.

Wegen des bevorstehenden Schwedenurlaubs ab Mitte August wird ein weiterer Artikel eh einige Zeit dauern...denn vor Ort werde ich mich weniger mit Theorie beschäftigen, vielmehr Praxis am Fisch pflegen...und zwar offline!

In diesem Sinne...Petri euch allen und:

Ein Prost auf unsere eigenen Stoffkreisläufe... :prost


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Hallo Thomas,
sehr kompetent geschrieben.:respekt
Denke aber das der eine oder andere damit etwas überfordert ist, weil die Materie sehr komplex ist.
Wenn ich an meine Fischwirtausbildung denke habe viele auch nur Bahnhof verstanden.

Gruß Bernd
 
Hallo Thomas,
sehr kompetent geschrieben.:respekt
Denke aber das der eine oder andere damit etwas überfordert ist, weil die Materie sehr komplex ist.
Wenn ich an meine Fischwirtausbildung denke habe viele auch nur Bahnhof verstanden.

Gruß Bernd

Danke, Bernd ... freut mich sehr, dass sich doch einige finden, die solche Themen als lesenswert erachten.

Für die Kollegen, die während ihrer Angelsessions z.T. nicht unwesentlich anfüttern, scheint mir der Teil III des Kompendiums allerdings fast Pflichtlektüre zu sein.
Nicht nur das Lesen ... das Verstehen sollte einhergehen. Fragen können jederzeit gestellt werden ...

Danach lässt sich dann durchaus auf Augenhöhe weiterdiskutieren ... vorher leider nicht wirklich.

Dies ist nun wirklich eine glasklare Kampfansage für Themen- u. Beitragsqualität hier in unserem Forum ... :grins
 
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