Kleiner Barsch frisst großen Krebs

Barsche ärgern

Saisonauftakt an der Oberhavel

Um 4:30 Uhr klingelte mein Wecker und das, wie ich fand, heute irgendwie energischer als sonst. Noch während ich die Augen öffnete, und mein Handy zum Schweigen brachte, dachte ich, dass ich wohl verrückt sein muss, mich schon so früh zum Angeln zu verabreden. Für die Jahreszeit war es erstaunlich kalt und der Sommer schien dem Herbst entgültig das Zepter übergeben zu haben. Aber ohne mich, dachte ich, denn ich war plötzlich voller Erwartung und gespannt wie eine Barschrute. Vorgestern noch hatte mir mein Angelbuddie Axel von seinen Fängen in der Oberhavel und dem Tegeler See vorgeschwärmt und genau dort wollten wir es auch heute mit seinem Boot angehen.

Nach einer kurzen aber erfolgreichen Saison auf Schleien, sollte es also heute das erste mal wieder auf Räuber gehen und entsprechend juckte es mich in den Fingern und auch meine Ruten schienen bereits Dehnübungen zu machen. Für Barsche hatte ich eine leichte Shimano Yasei Aori mit 9 bis15 Gramm Wurfgewicht und 2,10 Metern Länge eingepackt. Zum Hechtangeln hatte ich eine Reiserute von Mitchell mit 20 bis 80 Gramm Wurfgewicht dabei, die aber mit 2,70 Meter etwas zu lang fürs Bootsangeln und zum Jerken war. Da ich aber nichts anderes parat hatte, musste es einmal so gehen. Das Leben ist halt kein Rutenwald.

Schöner Barsch aus der Havel
Schöner Barsch aus der Havel

Pünktlich um 6 Uhr hatte ich den Bootsplatz an der Oberhavel erreicht und nach einem beherzten „Hallo“ und einigem Gerödel waren wir auf dem Wasser. Aber warum in die Ferne schweifen? Ohne weit zu fahren, suchten wir die nächste Badestelle auf, wo wir im abfließenden Nebel die Barsche an der Oberfläche rauben sahen. Der Motor ging aus. Windstille. Ruhe. Herrlich. Und inmitten dieser Ruhe plötzlich ein Platscher – mein Gummifisch war im Wasser und schon spürte ich die ersten Zupfer und zack, da hing der erste kleine Frechdachs von gerade einmal 15 Zentimetern und stellte zur Begrüßung seine Stacheln auf. Meinen 3’’ Easy Shiner* am 5 Gramm Jig hatte er wie erwartet weggeatmet. Mittlerweile hatte auch Axel einen 4” Gummifisch im Wasser und zog Barsch um Barsch nach oben. Anders als bei mir war der Jighaken über ein Gelenk flexibel mit dem Jigkopf verbunden – die sogenannten Cheburaschka-Jigs* – was dem Köder eine verführerische Beweglichkeit verleiht. Ich nutzte die gute Beißlaune, um einige Barschwobbler und Oberflächenköder zu testen, blieb aber Schneider. Als jedoch das Jagdfieber erneut einsetzte, wechselte ich wieder auf Gummis und sofort brummte es wieder.

Das Kickback Ring
Das Kickback Ring

Mit dem Licht verschwanden die Barsche dann in Richtung Schilf. Wir angelten weiter die Kanten der Ufergürtel in bis zu drei Meter ab und konnten hier noch ein paar 20er für uns begeistern. Axel hatte mittlerweile ein Kickback Rig mit einem Krebsimitat von Keitech (2.8” Crazy Flapper*) montiert. Kickback ist gelinde gesagt eine Art Dropshot System mit einem sehr langem Seitenarm. Der Köder tanzt und schwebt dadurch sehr verführerisch und kann in Kombination mit Krebsimitaten ein Magnet für Zander und Großbarsche sein. Leider blieben die ersehnten Klopper jedoch aus und auch die Fahrrinne und Bootsanlegestellen brachten keine Großbarsche. Vielmehr förderte das Kickback System nur noch weitere Bärschlein ans Tageslicht, woraufhin Axel witzelte “Jaja, damit fängt man die ganz Großen. Jaja …”. Aber trotzdem waren wir guter Dinge und erstaunt, wie gut die kleinen Racker selbst größte Krebsimitate wegatmen konnten.

Barsch am Kickback Rig
Barsch am Kickback Rig

Wenn es schon nicht mit Barsch klappt, dann hoffentlich mit Hecht. Mit diesem Plan hielten wir auf ein kleines Seerosenfeld am Ufer zu, wo wir ankerten und erst einmal die Sonne genossen. Aber weder mit Jerks noch mit Gummis konnten wir an dem sonst so üppigen Fanggrund etwas ausrichten. Und Nachläufer waren auch nirgends in Sicht. Nur die Barsche waren wieder da und raubten frech an der Oberfläche. Nach einem schnellen Rutenwechsel war die leichte Angel des Lokalmatadors krumm und bald poppte ein 34er Barsch an die Oberfläche und ins Boot. Er kam uns irgendwie größer vor, aber das ist ja irgendwie schon seit Menschengedenken so. Na klappt doch. Das Eis war gebrochen. Petri Heil!

Schöner 34er Barsch
Schöner 34er Barsch

Aber trotz weiterer Bemühungen sollte es bei diesem einen größeren Barsch bleiben. Auch ein Spotwechsel brachte keine Resultate und so tasteten wir uns immer weiter in den Tegeler See vor, wo wir vermehrt mit Kraut zu kämpfen hatten und die Köder oft flach unter der Oberfläche führen mussten. Das Wasser hatte gute 20 Grad und auch auf dem Wasser war es mittlerweile recht warm geworden, so dass wir bald tiefenentspannt vor uns hin angelten. Beim nächsten Köderwechsel wählte ich eine rote Zikade, die ich vor langer Zeit einmal in Norwegen gefunden hatte. Das 3 bis 5 Gramm schwere und leicht verrostete Metallblatt entpuppte sich als richtiger Barschmagnet, allerdings blieben die Barsche klein.

Spinnköder: Krebse und Gummis
Spinnköder: Krebse und Gummis

Auch das Kickback Rig sammelte wieder fleißig kleine Bärschlein und hinter mir hörte ich es brummen “Jaja…die ganz Großen…”. Zum Abschluss des Tages konnten wir dann noch einen Rapfen mit 69 Zentimetern landen, was unserem genialen Angeltag noch einmal die Krone aufsetzte. Müde und mit Barsch im Gepäck machten wir uns auf den Rückweg.

Schöner Rapfen
Schöner Rapfen

An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Axel für das elegante Guiding an seinem Hausgewässer. Ich hoffe, dass es nicht das letzte Mal gewesen ist.

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Video: Basiswissen für Angler: Das Ruten-Wurfgewicht, Quelle: FHP/Fishpipe
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