Fischbiologie -  Geschmackswahrnehmung in Fischen

DrMatze

Petrijünger
Liebe Angelfreunde,

ich möchte hier mal einen kleinen wissenschaftlichen Exkurs in die Geschmacksempfindung von Fischen wagen.
Ich selbst beschäftige mich seit 2002 mit der Geschmackswahrnehmung in Wirbeltieren.

Warum kam ich auf die Idee? Nun, da wir ja alle gerne unser Lockfutter auf die verschiedensten Art und Weisen zusammen mischen, dabei jeder seine Geheimnisse hat und deshalb mein kleiner Artikel durchaus von Interesse sein könnte.

Vorab, die Geschmackswahrnehmung im Menschen ist mittlerweile sehr gut erforscht. Eine brauchbare Zusammenfassung gibt es bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Gustatorische_Wahrnehmung

Von Fischen ist bekannt, dass sie L-Aminosäuren und Bitterstoffe voneinander unterscheiden können.
Sie benutzen für die Detektion von Bitterstoffen sogenannte T2Rs. Das sind Eiweißmoleküle, in diesem Fall Rezeptoren, in den Geschmacksorganen der Fische.

Für die Detektion von L-Aminosäuren ist eine Kombination verschiedener Eiweißmoleküle verantwortlich, die T1Rs. Hier konnte gezeigt werden, dass sowohl die Kombination T1R1/T1R3 als auch die T1R2/T1R3 L-Aminosäuren detektieren kann!

Dies ist insofern interessant, als dass wie Menschen mit T1R2/T1R3 all das wahrnehmen was süß schmeckt und mit der Kombination T1R1/T1R3 die beiden L-Aminosäuren Asparaginsäure und Glutaminsäure. Demzufolge könnte man ableiten (Achtung Spekulation!), dass Fische keine süßen Stoffe wie Zucker wahrnehmen können! Nur so am Rande: Bei Hühnern wurden ähnliche Beobachtungen gemacht.

Es wurde also gefunden, dass Fische (als Beispiele wurden hier Fugu und Zebrafisch angeführt) Eiweißmoleküle in ihren Geschmacksorganen besitzen, welche bittere Stoffe sowie L-Aminosäuren detektieren können.

Die Wahrnehmung bitterer Stoffe löst im Allgemeinen bei uns Menschen und auch in anderen Säugetieren eine aversive, ablehnende Reaktion aus, denn ein bitterer Geschmack warnt uns vor giftigen Substanzen.
So auch im Fisch! Verhaltensanalysen zeigten, dass Fische den bitteren Stoff Denatonium meiden! Sie spucken Nahrung, welche diesen Stoff enthält sofort wieder aus. Sie detektieren Denatonium, wie solls auch anders sein, mit einem T2R-Eiweissmolekül.

Sich bittere Stoffe ins Futter zu mischen macht also keinen Sinn! Aufgepasst, hier muss ich einfügen, dass auch viele Geruchsstoffe trotz verführerischem Duftes bitter sein können! Solche Sachen ins Futter zu mischen könnte also kontraproduktiv sein!

Im Gegensatz dazu, und jetzt wird’s interessant, bevorzugen sie L-Aminosäuren wie Prolin, Serin, Glutamin und Glycin. Hier würde es also Sinn machen solche Stoffe dem Lockfutter beizumischen.
Einer der stärksten Aktivatoren von T1R2/T1R3 ist L-Alanin. Diese Aminosäure kommt in größeren Mengen in Fleisch, Reis, Mais und Soja vor. In diesem Sinne sind die Befunde also gar nicht so überraschend sondern passen gut zu dem was wir selbst schon wissen.

All dies kann man hier nachlesen:
http://www.jneurosci.org/cgi/reprint/27/21/5584

Hier möchte ich erst einmal aufhören! Man könnte hier noch lange weiter schreiben oder diskutieren. Neben dem Geschmack spielen Duftstoffe sicherlich auch eine große Rolle, aber da ist bei Fischen noch fast nichts bekannt.

Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung. Danke fürs Lesen! :)

Gruß,
Marcel
 
Hi Marcel,

ich bin beeindruckt. :respekt Für einen ersten Beitrag hast du eine ganze Menge Geheimnisse gelüftet. Die zu dem Link gehörende pdf-Datei werde ich mir in einer ruhigen Minute antun. Japanisches Englisch ist eher schwere Kost.:grins

Du scheinst dich neben dem wissenschaftlichen Schwerpunkt auch mit der Angelei zu beschäftigen. Hast du dein Fachwissen schon erfolgreich anwenden können? Wie muß ich mir das in der Praxis vorstellen?

Gruß Thorsten
 
Hallo Thorsten,

seitdem ich mich damit beschäftige angele ich nicht mehr... :heulend:
Aber ich will jetzt wieder einsteigen! :hops
Damals hab ich mir ein Fläschchen Glutamat in den Angelkoffer getan, aber nie verwendet. Glutamat gibts in jedem Asialaden. Andere Aminosäuren sind vielleicht besser, allerdings weiss ich nicht ob man da als Normalverbraucher rankommt. Man kann sie aber theoretisch bei Sigma-Aldrich, Merck oder Roth bestellen.

Ich müsste nochmal nachschauen welche Konzentrationen notwendig sind um so einen Fisch-Geschmacksdetektor komplett zu aktivieren, irgendwann ist nämlich Schluss und er schaltet sich ab :spass

Es kann also durchaus sein, dass z.B. der Gehalt an L-Alanin im Mais schon ausreicht und man gar nichts mehr zusetzen muss.

Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es je nach Anbaugebiet des Mais und Weiterverarbeitung die Konzentration an Inhaltsstoffen verschieden ist, es also guten und nicht so guten Mais gibt. Aber ich glaube da kennt sich der ein oder andere schon bestens aus :hahaha:

Ich denke am spannensten wird es wenn die Geruchsdetektion erstmal richtig erforscht wird. Leider stehen da Fische natürlich nicht an erster Stelle. Dennoch, in den letzten 2-3 Jahren gabs da Interessantes von einer deutschen Arbeitsgruppe :)

Gruss,
Marcel
 
Mal eine Verständnisfrage: Wo genau liegt der Unterschied zwischen Geschmack und geruch? Ich könnte mir vorstellen, dass beim Fisch der Unterschied wegfällt, da er sich im Wasser befindet. Er ist also nicht auf flüchtige Aromen angewiesen, die sich in der Luft verbreiten, sondern auf alles, was vom Wasser gelöst und transportiert wird.
Liegen beim Menschen nicht Geruch und Geschmack auch sehr dicht beieinander? Ich frage deshalb, weil ich gerade erkältet bin und neben dem Verlust des Geruchssinnes auch den Geschmackssinn schmerzlich vermisse. Ich nehme derzeit nur Salz und Zucker wahr, nicht jedoch Gewürze, die auf ätherischen Ölen basieren.

Zu den Aminosäuren: Die werden doch im Fitness-Bereich in jeglischem Aggregatzustand angeboten. Ist da nichts brauchbares dabei?
 
Hallo Goderich!

Geschmack und Geruch sind 2 verschiedene Paar Schuhe!
Schmecken kannst Du nur, süss, sauer, salzig, bitter und umami (L-Aminosäuren). Alles andere ist Geruch! Deshalb nimmst Du die Gewürze nicht wahr, weil Deine Riechschleimhaut belegt ist (und somit auch die Detektoren).
Als Beispiel kannst Du, wenn Du wieder gesund bist mal ne leckere Erdbeere essen. Einmal mit Nase zuhalten und einmal normal. Die mit Nase zu schmeckt nur sauer/süss, die mit offener Nase schmeckt nach Erdbeere :)

Geruch und Geschmack sind auch bei Fischen zu unterscheiden, aber Dein Einwand mit den flüchtigen Substanzen ist natürlich berechtigt!
Hier muss ich aber weiter ausholen...

Wir Menschen haben 380 dieser Geruchsdetektoren, wovon 50 evolutionär ein bisschen einsam stehen! Diese 50 sind evulotionsbiologisch schon sehr alt und lassen sich bis auf die Fische (die es schon lange vor uns gab) zurückführen. Wissenschaftler vermuten, dass wir mit diesen wasserlösliche Geruchsstoffe wahrnehmen können. Das ist relevant, denn es ist bewiesen, dass Embryonen schon im Mutterleib (also im Fruchtwasser) riechen können!

Zudem gibt es wirklich echte Geruchsrezeptoren in Fischen. Die Arbeiten hier sind wie gesagt sehr jung, aber die Detektoren sind da!

Sie spielen sehr wahrscheinlich eine Rolle bei der Erkennung und Verfolgung von Beutetieren oder anders herum bei der Erkennung und Flucht vor Fressfeinden.

Marcel
 
Das ist interessant! Danke für die Aufklärung! Also als DER Geruchsjäger schlechthin gilt ja der Aal. Ich werde die Sache weiter verfolgen. Interessant ist sie auf jeden Fall!
Ein möglicher Beleg für die Geschmacksunterscheidung der Fische ist ja auch beim angeln mit Kunst bzw. Naturködern sichtbar. Bei Naturködern lässt man dem Fisch mehr Zeit zum zufassen während Kunstköder schnell angeschlagen werden müssen da sie sonst ausgespuckt werden.
Das kann natürlich zudem an der falschen Konsistenz (hartes Blech statt weichem Fischfleisch) liegen... Aber bestimmt nicht nur daran.

Zurück zum Wasser: Der Fisch dürfte doch durch das Wasser, dass sowohl Geruchsstoffe als auch Geschmacksstoffe transportiert in der Lage sein beides auf der Beutesuche einzusetzen...
 
Wahrscheinlich liegt es eher am nicht vorhandenen Geschmack der Kunstköder, als an der Konsistenz... Kann ich mir bei Gummiködern zumindest gut vorstellen.

Man kann ja mal seine Gummifische in einen Aminosäuremix einlegen und gucken ob sie dann fängiger werden :hahaha:

Im Fitnessbereich und von Fitnessprodukten habe ich keine Ahnung, wäre aber sicherlich ne gute Quelle!
 
Man kann auch einfach seine Gummifische zusammen mit toten Köderfischen aufbewahren :-) ! Ich denke, dass sie dann schon genug Geruch und vermutlich auch Geschmack annehmen, der für die Räuber interessant sein dürfte, oder?
 
Man kann auch einfach seine Gummifische zusammen mit toten Köderfischen aufbewahren :-) ! Ich denke, dass sie dann schon genug Geruch und vermutlich auch Geschmack annehmen, der für die Räuber interessant sein dürfte, oder?


Vermutlich ja!
Die Frage ist wie lange willst Du die mit den toten Fischen aufbewahren... lecker ist das bestimmt nicht :grins

Aber geruchlich sicherlich besser als schmackhafte Aminosäuren. So eine Duftspur ist verlockend!

Fragt sich nur, ob die Stoffe auch ins Gummi einziehen.
 
Man kann auch einfach seine Gummifische zusammen mit toten Köderfischen aufbewahren :-) ! Ich denke, dass sie dann schon genug Geruch und vermutlich auch Geschmack annehmen, der für die Räuber interessant sein dürfte, oder?
oder anders rum:die köderfische könnten den geschmack der gummis annehmen,was nicht besonders gut ist.
 
Es kann also durchaus sein, dass z.B. der Gehalt an L-Alanin im Mais schon ausreicht und man gar nichts mehr zusetzen muss.

Moin Marcel,

darauf wollte ich hinaus. Wenn man sich anschaut, zu welchen außergewöhnlichen olfaktorischen Wahrnehmung Fische fähig sind, scheint mir eine Anreicherung mit "Lockstoffen" (deren Einfluß nicht nachgewiesen ist) eher unnötig. Gibt es denn Untersuchungen zum konzentrationsabhängigen Verhalten? Kann ja sein, dass man es zwar gut meint wenn man ordentlich Aminosäuren zusetzt, aber einen gegenteiligen Effekt hervorruft.

Die Arbeiten hier sind wie gesagt sehr jung, aber die Detektoren sind da!

Na ja, der von dir verlinkte Artikel ist im Mai 2007 veröffentlicht worden und die Literaturangaben gehen bis in die 80er Jahre zurück. Die Futtermittel- und Additivchemie hat da ja auch schon seit ein paar Jahren drauf reagiert. Ich habe heute mal in meinem Askari-Katalog nachgeschaut und siehe da, Aminosäuren als Lockstoffe sind keine Seltenheit. Ich wette, wenn da ein "Wundermittel" dabei wäre, hätte sich das längst rumgesprochen.

Zu Gummi- oder Blechköder: da wird ein komlett anderer Sinn angesprochen als bei der Naturköderangelei. Das was hier zum Erfolg führt ist die richtige Führung, damit der erwünschte Reflex (zubeißen) ausgelöst wird. Selbst wenn ein Kunstköder eine Duftfahne hinter sich herzieht, wird das den Erfolg wohl kaum steigern. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.:grins

Gruß Thorsten
 
Evtl. liegt der Fehler vieler Forscher auch in den untersuchten Fischarten:
"because of their short generation span, ease of transgenic manipulation, small genome sizes, and plenty of accumulated sequence data"
d.h. die F-Ergebnisse bilden (evtl.) nicht die für Fischzucht und Angler interessanten Fischarten ab (Vermutung).
Durch Auslese und co. konnten sich etliche spezialisierte Fischarten entwickeln. Wieso werden fast immer Massenfische wie der Zebrafisch und co. untersucht? Arten die kurzlebig sind, im Schwarm leben und sich stark vermehren ^^.
 
Evtl. liegt der Fehler vieler Forscher auch in den untersuchten Fischarten:
"because of their short generation span, ease of transgenic manipulation, small genome sizes, and plenty of accumulated sequence data"
d.h. die F-Ergebnisse bilden (evtl.) nicht die für Fischzucht und Angler interessanten Fischarten ab (Vermutung).
Durch Auslese und co. konnten sich etliche spezialisierte Fischarten entwickeln. Wieso werden fast immer Massenfische wie der Zebrafisch und co. untersucht? Arten die kurzlebig sind, im Schwarm leben und sich stark vermehren ^^.


Gerade aus den von Dir genannten Gründen :) Sie sind kurzlebig, wachsen also schnell und man kann ihr komplettes Leben innerhalb kürzester Zeit analysieren. Und es gibt sie in Massen, das ist ein Vorteil!

Ein anderes Untersuchungsobjekt in der Arbeit war übrigens der Kugelfisch.

Die Genome vom Kugelfisch und Zebrafisch sind komplett entschlüsselt.

Ich denke schon, dass diese Detektoren in allen Fischen erhalten worden und enthalten sind. Nicht vergessen, wir besitzen identische Detektoren und sind evolutionsbiologisch viiiieeeeel jünger als Fische.
 
Vorteil ^^, sehe da eher die Suche nach dem schnellen Erfolg durch die Nutzung von Fischen mit genannten Eigenschaften.
Von Kugelfisch hab ich nichts gelesen nur von Danio rerio und Oryzias latipes.
 
Dass wir die gleichen Rezeptoren besitzen wundert mich nicht weiter. Laaaaangfristig gesehen haben wir die gleichen Wurzeln wie die Fische, wenn man an die Lehrmeinung von Evolution glaubt, und in der Natur zeigt sich immer wieder, dass Erfolgsmodelle bleiben. Der Geschmackssinn hat ja vor allem den Sinn gutes von schlechtem zu unterscheiden. bitter = giftig, süß = essbar und nicht zuletzt signalisiert der Geschmack ob etwas nahrhaft ist oder nicht (Aminosäuren, Kohlenhydrate etc.).

Mir sind keinerlei Tiere bekannt, die nicht irgendwie schmecken. Auch wenns bei denen vielleicht etwas anders funktioniert als bei uns, können ja selbst Insekten etc. Gutes von Schlechtem unterscheiden.

Eine Sache ist denke ich noch sehr wichtig bei der Betrachtung: Geschmack (geruch) hat zwar etwas mit Urinstinkten zu tun (süß / bitter) aber er ist auch gelernt. Man denke an Boilies oder Pellets, an die Fische erstmal gewöhnt werden mussten. Sie setzen ausschließlich auf Geschmack und wo der Fisch sie nicht kennt, frisst er sie nur sehr bedingt. Demnach müsste man versuchen einen Geschmack oder geruch zu entwickeln, der exakt das Beuteschema nachahmt, wenn man an einem unbefütterten Gewässer angelt um perfekte ergebnisse zu erzielen. Ich wette das ändert sich von Tag zu Tag.

Was meint ihr?
 
Goderich hat es genau getroffen!

Geschmack sagt uns -> essen, ja oder nein!

Natürlich spielt dabei Lernen eine grosse Rolle. Das kann man negativ und positiv beeinflussen, ähnlich wie der Pawlov Hund mit der Glocke. Man muss es nur mit einem anderen Reiz assoziieren.

So nen Erdbeerboili kennt kein Karpfen...aber er schmeckt, deshalb wird er genommen auch wenns ein bisschen Gewöhnung bedarf.

Geschmackliche Urinstinkte spielen z.B. bei der Aufnahme der Muttermilch, welche sehr süss ist, eine Rolle. Und nicht zuletzt fördert das im Endeffekt auch unsere Vorliebe für süsse Sachen.
 
Auf eben diese Urinstinkte könnte doch bei den Fischen der Hunger auf Aminosäuren zurückzuführen sein oder? Muttermilch gibts bei ihnen ja nicht und nach dem Dottersackstadium fressen sie kleinstes Plankton. Eigentlich sind doch Aminosäuren in allen klassischen Fischnährtieren in Hülle und Fülle vorhanden oder?
 
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